Union-Kolumne

Alarmstufe Rot: 1. FC Union hat die Bilanz eines Absteigers!

Alte Krankheit, neues Leid: Weil die Eisernen wieder eine Torlos-Strecke durchmachen, kehrt die Abstiegsangst vor dem Duell mit dem FC Bayern zurück.

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Es könnte alles, so einfach sein – isses aber nicht. Das letzte Tor des 1. FC Union schoss Brenden Aaronson am 16. März gegen Bremen.
Es könnte alles, so einfach sein – isses aber nicht. Das letzte Tor des 1. FC Union schoss Brenden Aaronson am 16. März gegen Bremen.Luciano Lima/imago

Günther Jauch und Marcel Reif erhielten für diese Fußball-Weisheit 1999 den Adolf-Grimme-Preis. Beim 1. FC Union Berlin dagegen ist der mit dem renommierten Medienpreis gekrönte Spruch fast schon ein Lamento. Er ist in diesem Spieljahr kaum zu überhören, kehrt mit nahezu penetranter Regelmäßigkeit nach Köpenick zurück und lautet, von Reif seinerzeit mit ganz viel Augenzwinkern formuliert: „Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gutgetan.“

1. FC Union leidet wieder an einer Torlos-Serie

Um 76 Minuten hatte sich seinerzeit das Halbfinalhinspiel in der Champions League zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund verzögert. Ein Tor kann in diesen fünf Viertelstunden nicht wirklich gefallen sein, auch wenn Jauch zu kalauern wusste: „Für alle die, die nicht rechtzeitig eingeschaltet haben, das erste Tor ist schon gefallen.“ Nicht gefallen, aber umgefallen ist eines. Jauch und Reif haben das in Art von spielfreudigen Komödianten zu einem Spektakel ausgeweitet. Die Einschaltquoten beim unermüdlichen hintersinnigen verbalen Doppelpass lagen bei 12,76 Millionen Zuschauern. Davon können TV-Sender heute in den allermeisten Fällen nur träumen.

Wenn es um Tore geht, die in dieser Spielzeit nicht gefallen sind, dann kann das dem 1. FC Union – Achtung, Wortspiel – nicht gefallen. Schmalhans ist nach wie vor Küchenmeister im gegnerischen Strafraum. Als die Eisernen im Frühherbst knapp über vier Stunden keinen Treffer erzielten, glaubten die meisten an einen Ausrutscher. Nachdem in Heimspielen die Tür zum gegnerischen Tor zwischenzeitlich gut siebeneinhalb Stunden am Stück (0:3 Leipzig, 0:2 Hoffenheim, 0:3 Stuttgart, 0:3 Frankfurt) zugenagelt blieb und erst Kevin Volland gegen Augsburg auf den letzten Drücker die Lücke zum 1:1 fand, hatte die heftigste Krise der noch jungen eisernen Bundesligahistorie längst ihren Höhepunkt erreicht.

1. FC Union wartet seit mehr als fünf Stunden auf ein Tor

Und sie ist noch lange nicht behoben. Denn schon wieder tun sich die Rot-Weißen schwer, überhaupt gefährlich in Tornähe des Gegners zu kommen. Seit dem 2:1 gegen Bremen und dem Siegtor von Brenden Aaronson sind bereits wieder über fünf Stunden reine Spielzeit vergangen, ohne dass der Ball im Kasten von Kevin Trapp (0:0 in Frankfurt), Lukas Hradecky (0:1 gegen Leverkusen) oder Finn Dahmen (0:2 in Augsburg) gelandet ist. Die Frage, ob die neuerliche Durststrecke ausgerechnet am Sonnabend im Abendspiel gegen den deutschen Rekordmeister Bayern München (ab 18.15 Uhr im KURIER-Liveticker) ihr Ende findet, ist unter diesen Umständen eher mit einem Schulterzucken zu beantworten.

Stürmer Brenden Aaronson trifft gegen Werder Bremen zum 2:0. Seitdem wartet der 1. FC Union nun mehr als fünf Stunden auf ein Tor. 
Stürmer Brenden Aaronson trifft gegen Werder Bremen zum 2:0. Seitdem wartet der 1. FC Union nun mehr als fünf Stunden auf ein Tor. Matthias Koch/imago

Angesichts der eklatanten Harmlosigkeit – allein der 1. FC Köln hat mit 23 Treffern noch zwei weniger erzielt als die Männer aus Köpenick – ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Endphase in eine Reihe von Zitterpartien übergeht. Das wäre nicht weiter schlimm und die Anhänger würden das auch aushalten, würden am Ende nur insgesamt mehr Tore auf der richtigen Seite erzielt.

Abstiegskampf: Mainz setzt 1. FC Union unter Druck

Bislang lebt allein der Glaube. In 16 der 29 Spiele gelang kein Tor, in weiteren sechs Partien jeweils nur eines. Das ist, niemand muss um den heißen Brei herumreden, die Bilanz eines Abstiegskandidaten. Wie schnell es zum Absturz kommen kann, wird daran deutlich, dass das Plus von neun Punkten gegenüber Mainz innerhalb von nur 180 Minuten auf drei geschrumpft ist. Dazu kommt, dass die Tordifferenz der Eisernen gegenüber den 05ern, die auf dem Relegationsrang Anschluss gefunden haben und Morgenluft wittern, in diesen beiden Partien von +7 auf -3 (4:0 gegen Darmstadt, 4:1 gegen Hoffenheim) gekippt ist und es gefühlt einem weiteren verlorenen Punkt gleicht.

Indem Nenad Bjelica nach dem 0:2 von Augsburg davon gesprochen hat, dass sich einige Spieler in einer Komfortzone wähn(t)en, dann muss er als Trainer (allerdings sollte man auch von einem Profi erwarten dürfen, den Ernst der Lage zu erkennen) etwas nicht klar an den Mann gebracht haben. Nie war die Sicherheit trügerischer als nach den Siegen gegen Köln, Darmstadt, Wolfsburg, Bremen und auch nach dem bei der TSG Hoffenheim.

Ärgert der 1. FC Union den FC Bayern?

In der Summe haben diese Dreier Schlimmeres verhindert. Wer sie indes souverän nennt, hat durch seine rosarote Vereinsbrille den Durchblick verloren. Da kann sogar das eine oder andere Tor fallen, dennoch sollte selbst dem letzten Ergänzungsspieler klar sein: Es herrscht nach wie vor Alarmstufe Rot!

Als seinerzeit in Madrid das Tor umkippte, war Borussia Dortmund als Titelträger (1997 hatte sich der BVB Europas Krone aufgesetzt) ins Bernabeu gereist. Nun kommt Bayern München als Titelverteidiger ins Stadion An der Alten Försterei. Damals endete die Partie 2:0 für Real, der BVB wurde entthront. Entthront sind die Bayern bereits, ein halbwegs ähnliches Ergebnis wäre trotzdem ein Traum. Auch ohne Grimme-Preis.