Erst 2:1 bei Eintracht Frankfurt, dann 1:1 (0:0) in der ausverkauften Alten Försterei gegen den FC Bayern – so kann man sich nach zuvor drei schmerzhaften Pleiten am Stück schon mal von den Totgesagten zurückmelden. Der 1. FC Union ist mit dem Punktgewinn gegen den souveränen Tabellenführer, Rekordmeister und aktuellen Champions-League-Viertelfinalisten im Abstiegskampf zwar noch lange nicht aus dem Schneider, aber auf einem sehr guten Weg in Richtung Klassenerhalt. Geschafft haben das die Eisernen, weil sie mal wieder was ein wenig anders machen als die meisten anderen.
Nach dem 1:2 gegen Gladbach, der 0:6-Packung in Dortmund und dem schockierenden 0:1 gegen Zweitliga-Mitbewerber Kiel und war vielen schon Angst und Bange um den 1. FC Union. Nicht nur, dass Punkte fehlen und die Spiele, um welche zu holen, immer weniger werden.
Steffen Baumgart rockt die Tribüne
Da war (und ist) auch immer das große Problem, das die Köpenicker seit Saisonanfang begleitete: diese elende Harmlosigkeit vor dem Tor des Gegners. Und was macht Union, um dieses Manko irgendwie in den Griff zu kriegen? Richtig, die Eisernen verzichten freiwillig auf ihren besten Angreifer. Benedict Hollerbach (23) fand sich in Frankfurt und auch jetzt gegen die Bayern auf der Bank wieder.

Verrückt? Woran der ehrgeizige Hollerbach wohl schwer zu knabbern hat, erweist sich als genialer Schachzug. Der Erfolg gibt Steffen Baumgart (53) recht. Der Cheftrainer, der das Spiel wegen einer Gelbsperre auf der Tribüne mitlebte und an der Linie von Assistent René Wagner (36) vertreten wurde, nicht ohne Stolz: „Wir haben aus den letzten beiden Spielen gegen Mannschaft, wo keiner mit uns gerechnet hat, klar angezeigt, dass wir noch da sind, dass wir wach sind. Wir haben uns mit zwei Ergebnissen belohnt, die für uns wichtig sind.“
Geparkter Bus ist nichts für Hollerbach
Aber wie kommt man auf die Idee, seiner besten Schützen einfach mal zu rasieren? Ganz einfach. Baumgart hat drei Argumente für vier Punkte. Erstens: „Ich hatte ja gesagt, dass ich mit seiner Leistung nicht ganz zufrieden war und andere Jungs habe, die sich anbieten. Dann geht es bei mir relativ zügig, dass die Jungs ihre Chance kriegen. Wenn du einen sehr guten Kader hast, hast du auch die Möglichkeit Wechsel vorzunehmen, die für das ganze Kollektiv wichtig sind.“
Zweitens: „Man hat ja gesehen, wir haben einen Bus geparkt, also einen Abwehrriegel aufgebaut. Und da ist Holler nicht derjenige, der über 90 Minuten den kompletten Abwehrriegel hat.“ Drittens: „Dann haben wir uns natürlich ausgerechnet: Umso länger das Spiel geht, je mehr der Gegner vielleicht auch Kraft lässt, dass Holler dann mit seiner Geschwindigkeit und Aggressivität für das eine oder andere sorgen kann. Er kam als Joker ins Spiel, das hat er gut gemacht.“
Hollerbach bejubelt reife Pflaume

In Frankfurt wurde Hollerbachs Tor – es wäre das zum 3:0 gewesen – noch aberkannt, weil in einer Voraktion irgendwo auch eine Hand im Spiel war. Gegen Bayern sorgte er nach dem 0:1 von Leroy Sané (75.) mit seinem siebten Saisontreffer fürs 1:1 (83.). Tor, Punkt, da war auch für Hollerbach die eiserne Welt in Ordnung: „Es ist wichtig, als Stürmer immer in der Box zu sein, nur dann kann man torgefährlich werden. Als der Ball zu mir runtergefallen ist, wie eine reife Pflaume vom Baum, war ich sehr happy und habe ihn ruhig reingemacht. Es ist besonders schön, weil es gegen den besten Klub Deutschlands war.“