KURIER sprach mit dem Star-Regisseur

Woody Allen: „Ich habe viel unverdientes Lob bekommen“

Einer der berühmtesten Regisseure aller Zeiten bringt mit 88 Jahren seinen 50. Film heraus.

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Der Regisseur Woody Allen hält sich selber für ein Glückskind des Lebens.
Der Regisseur Woody Allen hält sich selber für ein Glückskind des Lebens.Vianney Le Caer/Invision/AP/dpa

Einer der berühmtesten Regisseure aller Zeiten bringt seinen 50. Film heraus. Was als Meilenstein normalerweise groß in Hollywood gefeiert wird, wurde im Fall von Woody Allen unter den Teppich gekehrt. Denn nach den Vorwürfen gegen ihn im Zuge der MeToo-Bewegung fand er in Nordamerika keinen Kino-Vertriebspartner für „Der Glücksfall“ – weshalb der Film dort nur als Pay-per-View-Film im Internet zu sehen ist. Immerhin wird der Thriller des 88-Jährigen in unseren Kinos gezeigt. Es ist ein „typischer Allen“ – eine Beziehungskiste mit vielen Twists. Eine junge, verheiratete Frau trifft zufällig auf einen alten Schulfreund und hat eine Affäre, die zu einem Verbrechen führt.

Herr Allen, Sie feiern nach all den Jahren im Filmbusiness eine Premiere – „Der Glücksfall“ ist Ihr erster Film, den Sie ganz auf Französisch gedreht haben. Sprechen Sie die Sprache eigentlich fließend?

Ich spreche gar kein Französisch, aber das hat mich nicht groß gestört (lacht). Ich wollte meinen 50. Film unbedingt in Paris drehen, weil ich diese Stadt so liebe. Aber ursprünglich war der Film auf Englisch geplant, die Hauptdarsteller sollten eigentlich zwei Amerikaner in Paris sein.

Warum haben Sie sich umentschieden?

Ich habe mich von legendären europäischen Filmemachern wie François Truffaut oder Jean-Luc Godard inspirieren lassen. Ich wollte wie sie nicht nur in Paris, sondern auch auf Französisch einen Film drehen.

Lou de Laage als Fanny und Melvil Poupaud als Jean spielen ein vermeintlich glückliches Ehepaar im neuen Woody-Allen-Film „Der Glücksfall“.
Lou de Laage als Fanny und Melvil Poupaud als Jean spielen ein vermeintlich glückliches Ehepaar im neuen Woody-Allen-Film „Der Glücksfall“.epd

Und das hat so einfach dann geklappt?

Ja, ganz wunderbar. Die Schauspieler haben alle Englisch gesprochen und ich hatte tolle Kooperationen und viel Hilfe.

Sie haben es geschafft, über sieben Jahrzehnte im Geschäft zu bleiben. Sehen Sie das als Glücksfall an oder eher als die Früchte von harter Arbeit?

Ich habe sehr, sehr viel Glück gehabt, mein ganzes Leben lang, wenn man es genau nimmt. Ich hatte zwei liebevolle Eltern. Ich habe gute Freunde, eine wundervolle Ehefrau und zwei Kinder. Und mit 88 war ich noch nie in einem Krankenhaus. Es ist mir nie etwas wirklich Schlimmes passiert. Ich bin also ein Glückskind im Leben.

All der Erfolg ist wirklich nur Ihrem Glück geschuldet?

Ja, so sehe ich das. Als ich anfing, haben sich die Leute dazu entschieden, allein das zu sehen, was ich wirklich gut mache. Und mir Dinge, die ich schlecht mache, verziehen. Ich hatte das Glück, im Laufe meines Lebens durch meine Filme viel unverdientes Lob, eine Riesenportion Aufmerksamkeit und Respekt zu bekommen.

Woody Allen mit seiner damaligen Frau Mia Farrow und Kindern und Adoptivkindern. Ganz rechts die Adoptivtochter und heutige Ehefrau <a href="https://www.google.com/search?sca_esv=bea76010820982b8&amp;rlz=1C1GCEA_enDE887DE887&amp;sxsrf=ACQVn0-ChAF8w3CJm2F0XRUbEOT_7kA2Sw:1712925319865&amp;q=Soon-Yi+Previn&amp;si=AKbGX_oBDfquzodaRrfbb9img4kPQ4fCBZjeqAiaW1svvC8uXrVPFtyg1cAmhhzCcuB4zcwV4Vxe9-0opZC8dmSg87U1bciit5R4rhkuepGJzpdMgqaElLVq2r2G4CItumRexywBk0OSMo5P9CTrbPWxjyhTuXj003rBki1I77BFlSKnnn6NYCxZSKQLGeIFNAjlfEB3B6E59VqJ8SeYjHu35dnQJDBYK3_9UFsS9ITfGPad_MczqYhVGfv--1AeNtIyCu3vRM_Y&amp;sa=X&amp;sqi=2&amp;ved=2ahUKEwj0mN6J2LyFAxUEwAIHHQjmBYEQmxMoAHoECFwQAg">Soon-Yi</a>
Woody Allen mit seiner damaligen Frau Mia Farrow und Kindern und Adoptivkindern. Ganz rechts die Adoptivtochter und heutige Ehefrau Soon-YiPond5 Images/Imago

Wenn die Sprache nicht so wichtig ist, würden Sie auch einen Film auf Deutsch drehen?

Keine Ahnung, kommt darauf an. Ich bekomme manchmal Finanzierungsangebote von Leuten, die im Gegenzug wollen, dass ich dafür einen Film in deren Landessprache drehe. Wenn das Angebot und die Idee für ein Drehbuch gut sind, dann würde ich auch einen Dreh in Deutschland auf Deutsch in Betracht ziehen.

Gehen Sie heute an Filmprojekte anders heran als in jungen Jahren?

Ich arbeite seit fast 70 Jahren noch genauso wie früher. Es ist immer der gleiche Ablauf, wenn es darum geht, meine Ideen in Drehbücher umzuwandeln.

Wie sieht Ihr Ablauf aus?

Ich stehe morgens auf, mache meine Sportübungen und frühstücke. Dann lege ich mich mit einem Bleistift, Kugelschreiber und Schreibblock ins Bett und schreibe los. Und wenn ich damit fertig bin, dann tippe ich es auf meiner Schreibmaschine ab. So habe ich es immer gemacht und so werde ich es auch bis zum Schluss durchziehen!

Woody Allen zusammen mit Diane Keaton im Film „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“.
Woody Allen zusammen mit Diane Keaton im Film „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“.Bridgeman Images/Imago

Einige Hauptdarsteller Ihrer Filme von vor 20 oder 30 Jahren könnten von Leuten aus heutiger Sicht als toxisch maskulin hingestellt werden. Ist es für Sie heute schwieriger geworden, Männerrollen zu kreieren?

Vor 20 oder 30 Jahren habe ich mir die Rollen selbst auf den Leib geschrieben – das war einfach. Ansonsten fand ich es schon immer schwierig, interessante Männerrollen zu verfassen. Bei Frauenrollen fällt mir das viel leichter. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht, weil ich so wie mein großes Vorbild Ingmar Bergman grundsätzlich Filme für Frauen schreibe.

Wie Bergman behandeln Sie auch gerne das Thema Tod. Oft auf witzige Weise. Glauben Sie, dass man mit Humor gegen den Tod ankämpfen kann?

Ich glaube nicht, dass man irgendetwas gegen den Tod machen kann. Es ist wie ein schlechter Deal, aus dem man nicht herauskommt. Egal, ob man es mit Wissenschaft, Philosophie oder Comedy versucht. Ich glaube, es hilft, wenn man sich ablenkt und nicht daran denkt, dass man dem Unvermeidlichen nicht entkommen kann. ■