Der KURIER-Kommentar

„Die Passion“ als Trinkspiel: Hilfe, Jesus hat mich besoffen gemacht!

Am Mittwoch sendete RTL eine neue Ausgabe von „Die Passion“ – und ein weiteres Mal wurde viel Spott über der Show ausgegossen. Auch der KURIER hat reingeschaut.

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Szene aus „Die Passion“: Jesus (Ben Blümel) wird von zwei Polizisten festgehalten.
Szene aus „Die Passion“: Jesus (Ben Blümel) wird von zwei Polizisten festgehalten.Swen Pförtner/dpa

Viele TV-Zuschauer warteten zwei Jahre lang auf diesen Abend – und am Mittwoch war er endlich da: Nach einer Pause sendete RTL die Neuauflage des Bibel-Musicals „Die Passion“. Die Leidensgeschichte von Jesus Christus, erzählt auf großer Bühne, dazu eine prominente Besetzung und moderne Popsongs: Das Spektakel sorgte schon vor zwei Jahren für Furore. Allerdings nicht nur im positiven Sinne. Viele kippten Hohn und Spott über der Inszenierung aus – und Ex-„DSDS“-Star Alexander Klaws, der damals die Rolle des Jesus übernahm, musste sich noch Monate danach kleine Seitenhiebe gefallen lassen. Wie schlimm war es dieses Mal?

Auch die Neuauflage von „Die Passion“ geizt nicht mit Fremdschäm-Momenten

Die erste Ausgabe von „Die Passion“ erlebte ich vor zwei Jahren durch Zufall. Ein Kollege, der vor allem über den Bereich Trash-TV berichtete, wies mich darauf hin, dass es sich lohnen könnte, den Fernseher einzuschalten. Ich schaute also rein – und bekam, wie viele andere, Gänsehaut vor Scham. Sofort alarmierte ich eine Freundin, bitte sofort RTL anzuschalten. Auch sie konnte nicht glauben, was sich da auf der Mattscheibe abspielte.

Alexander Klaws fütterte beim letzten Abendmahl als Jesus den im Rollstuhl sitzenden Samuel Koch mit Brot. Das Fladenbrot hatte er übrigens vorher an einer Currybude abgeholt – unter dem erstaunten Blick von Reiner Calmund, der gerade Wurst futterte. Später wurde Jesus von der Polizei festgenommen und traf im Gefangenentransporter auf Christine Walter aus dem „Frauenknast“ (Katy Karrenbauer) und Jo Gerner aus „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (Wolfgang Bahro) – und Judas singt, auf einem Dach in der Innenstadt von Kassel stehend, „Durch den Monsun“ von Tokio Hotel.

Schauspieler Hannes Jaenicke führte bei „Die Passion“ als Erzähler durch die Show.
Schauspieler Hannes Jaenicke führte bei „Die Passion“ als Erzähler durch die Show.Swen Pförtner/dpa

Und das waren nur einige der Momente, die junge Leute wohl als „cringe“ bezeichnen würden. Schnell stand der Plan fest: Sollte RTL das noch einmal machen, wollten wir uns treffen und jedes Mal, wenn sich eine Szene unangenehm anfühlte, einen Schnaps trinken. Nachdem der Sender 2023 eine Pause eingelegt hatte, durfte der große TV-Abend nun stattfinden: Es gab Sekt und „Saure Pflaume“ – schließlich wollten wir ja auch ein kleines bisschen leiden, um uns mit Popstar Ben Blümel (er spielte den Jesus) besser identifizieren zu können. Und was soll ich sagen? Inklusive einem anschließenden Spezial mit Frauke Ludowig dauerte der Abend bis 23 Uhr – und am Ende gingen wir ziemlich betrunken auseinander.

Mein Highlight: Dank Jesus kann Jenny Elvers endlich wieder sehen

„Die Passion“ hatte aber auch wieder wirklich schöne Highlights zu bieten. Hochkarätig etwa der Moment, als Jesus am Bahnhof in Kassel, wo die Eröffnungs-Sequenz spielte, auf die am Boden sitzende Jenny Elvers traf. Sie ist blind – kann Jesus helfen? Ja! Er nimmt ihre Sonnenbrille ab und befreit sie damit von der Bürde. Wahnsinn! Auch die schauspielerischen Einlagen beim letzten Abendmahl und die Auswahl der Songs wussten zu überraschen. Als Judas (gespielt von Jimi Blue Ochsenknecht) Jesus etwa an die Polizei verrät, singen beide gemeinsam „Out of the Dark“ von Falco. „Judas war nicht nur böse, er war auch ein schlechter Rapper“, schrieb ein Zuschauer auf X (früher Twitter) dazu. Ein anderer kommentierte: „Falco, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“

Und: Auch dieses Mal sparte RTL nicht mit schrägen Gastauftritten: Als Jesus an einem Restaurant von Star-Koch Mario Kotaska fünf Ciabatta-Brote und zwei Pizzen „Frutti di Mare“ für das letzte Abendmahl überreicht bekommt, staunt erneut Reiner Calmund über den hohen Besuch. Richter Ulrich Wetzel, bekannt aus „Ulrich Wetzel – Das Strafgericht“, ist auch zu sehen – und Wolfram Kons interviewt Jesus bei einer Art Pressekonferenz. Auch der Haupt-Cast ist prominent besetzt – „No Angels“-Star Nadja Benaissa übernahm die Rolle der Maria, zu den Jüngern gehörten unter anderem Stefanie Hertel, Joey Heindle, Mola Adebisi und Larissa Marolt.

Ist ein Verräter - und kann nicht rappen: Judas (gespielt von Jimi Blue Ochsenknecht).
Ist ein Verräter - und kann nicht rappen: Judas (gespielt von Jimi Blue Ochsenknecht).Swen Pförtner/dpa

Was bleibt? Ein weiteres Mal hat „Die Passion“ nicht nur vor den Fernsehern, sondern auch im Netz für viel Spott gesorgt. „Was die präsentierten, war so abgrundtief schlecht und dümmlich, wie es die Zeit eben braucht“, schreibt eine Zuschauerin auf X. „Ob man nun gläubig ist oder nicht: Man könnte es als Blasphemie bezeichnen“, kommentiert ein anderer. Und in einem Tweet heißt es: „Nein, einfach nein. Und außer mir scheinen es wohl noch so einige Menschen nicht zu verstehen.“ Und einer fragt: „Leute, jetzt mal ganz ehrlich, wir reden von RTL. Wer hat denn wirklich etwas anderes als unerträglichen Schwachsinn erwartet?“

Was denken gläubige Menschen über „Die Passion“ bei RTL?

Ich bin nicht religiös erzogen worden – und frage mich, was eine solche Inszenierung wohl mit Menschen macht, für die der Glaube ein wichtiger Teil ihres Lebens ist. Kommen sie sich veräppelt vor – oder ist es für sie eine Bereicherung der Ausübung ihrer Religion? Ich für meinen Teil sehe „Die Passion“ als Show, die mich und meine Freunde ein weiteres Mal blendend unterhalten hat – wenn auch vor allem mit Fremdschäm-Momenten. Wir hatten einen ziemlich guten Fernsehabend, weshalb ich hoffe, dass das Spektakel im kommenden Jahr auf die Mattscheibe zurückkehrt. Aber mein Gefühl sagt mir, dass RTL daran festhalten wird, weil die Show alle Zielgruppen bedient: Jene, die daran glauben, freuen sich vielleicht darüber, was wunderbar ist. Und Menschen wie ich, die mit Religion nicht viel anfangen können, trinken eben einen Schnaps dazu. Prost! ■