Spätestens, wenn er mit seiner Trompete „Stille Nacht, heilige Nacht“ anstimmt, kann Weihnachten kommen. Till Brönner (52) ist weltweit der bekannteste deutsche Jazztrompeter und spielte sogar schon im Weißen Haus. Vor genau 30 Jahren erschien sein erstes Album, inzwischen sind es weit über zehn Alben. Zu den erfolgreichsten gehören seine Weihnachtsalben, die der Trompeter und Fotograf auch in diesem Jahr in mehreren deutschen Städten zum Besten gibt.
Der Berliner KURIER hat Till Brönner zum Interview getroffen und mit ihm über die Höhepunkte seiner Karriere und das große Glück, noch einmal Vater geworden zu sein, gesprochen.

Till Brönner auf großer Weihnachts-Tournee
Berliner KURIER: Herr Brönner, was können die Zuschauer von Ihrer „Christmas Show“ erwarten?
Till Brönner: Wir möchten die Zuschauer für eineinhalb bis zwei Stunden in eine Welt entführen, wo sie mal nicht an das denken müssen, was sie gerade umgibt. Weihnachten ist durch alle Schichten und Altersgruppen hindurch ein Thema und man muss nicht viel erklären. Das gibt mir als Künstler den Raum, meine oder unsere Version von Weihnachten zu präsentieren. Wir sind mittlerweile sehr bewandert, was Weihnachtskonzerte und Tourneen angeht, aber es ist jedes Mal eine wunderbare Herausforderung, weil man ja auch nicht jedes Jahr dasselbe machen kann.
Sie sprechen von „Wir“. Wer ist noch mit Ihnen auf der Bühne?
Ich habe das Glück, eine fantastische Band zu haben. Man kann solche Konzerte auch alleine spielen, das habe ich auch schon getan und das macht mir auch Spaß, aber viel mehr Spaß macht es mit einer Truppe wie dieser. Mit dabei sind tolle, sehr versierte und vor allem stilistisch breit aufgestellte Kollegen. Wir haben auch eine US-amerikanische Künstlerin mit an Bord, Kim Sanders, die uns mit ihrer Stimme begleitet. Wir mixen deutsche Weihnachtslieder mit amerikanischen Songs und spielen Hits in unserem persönlichen Gewand. Es ist lustig, zu sehen, dass die Menschen ab dem 1. Dezember quasi mit einem Dauerlächeln durch die Straßen laufen, weil sie dieses besondere Weihnachtsgefühl überkommt.
Kommen Sie auch pünktlich zum 1. Dezember in Weihnachtsstimmung?
Ich bin in der Hinsicht natürlich ein kleines bisschen professionell auf Weihnachten eingestellt. Heißt, wenn ich mich erst am 1. Dezember mit Weihnachten auseinandersetzen würde, dann hätte ich echt ein Problem. (lacht) Wir bereiten uns natürlich schon bedeutend früher darauf vor.
Haben Sie einen Lieblings-Weihnachtssong?
Das ist gar nicht so leicht. Ich staune bei einigen Songs, dass man nicht mehr über sie spricht. Sicherlich eines der schönsten Lieder und zufällig auch das weltweit bekannteste Lied ist „Stille Nacht, heilige Nacht“. Dass es möglich war, ein Lied zu schreiben, das über so lange Zeit auf qualitativ hohem Niveau auf der ganzen Welt Menschen in diese emotionale Stimmung versetzt und noch dazu mit einer Message, das ist phänomenal.
„Last Christmas“ von Wham! gehörte früher nicht zu Ihren Lieblingssongs. Inzwischen konnten Sie sich aber damit anfreunden, oder?
„Last Christmas“ ist nachweislich noch immer das beliebteste Weihnachtslied. Ich denke mir, nur weil ich was nicht gut finde, ist das ja kein Grund, nicht daran zu arbeiten, eine Version zu spielen, die ich dann gut finde. Tatsächlich gibt es jetzt eine und seitdem habe ich mit dem Lied meinen Frieden gemacht. (lacht)
Sie wohnen nicht nur in Potsdam, sondern auch in Los Angeles, oder?
Meine Zeit dort ist inzwischen weniger geworden, aber ich trenne mich nur ungerne ganz.
Wie erleben Sie das weitaus kitschigere Weihnachten in den USA?
Es ist weltlicher, nicht so kirchennah wie hier. Und es ist natürlich auch ein großes Geschäft, was für die USA, die ja das Entertainment quasi miterfunden haben, gar nicht so verwunderlich ist.

Einladung von Barack Obama ins Weiße Haus
Gibt es Routinen oder Rituale bei Ihnen, um eine Tournee durchzustehen?
Die größte Herausforderung bei einer Tour ist es, diese Konstanz an Fitness und Inspiration auf der Bühne zu halten. Jeden Abend um Punkt acht Uhr fit zu sein, erfordert bestimmte Rituale, Training, auch eine gewisse Vorsicht und eine bestimmte Achtsamkeit. Auch das Vorher und Nachher mit der Band ist extrem wichtig. Es ist nicht nur ein Beruf. Ich bin ja in der luxuriösen Lage, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Manchmal japst man, aber das ist ganz normal, weil es eben auch nicht unanstrengend ist. Aber der Spaß überwiegt.
Wie viel müssen Sie nach all den Jahren noch üben?
So viel wie früher. Ohne Übung, ohne Vorbereitung, ohne Konstanz bin ich nicht in der Lage, so eine Tournee zu spielen. Ich muss jeden Tag meine zwei, drei Stunden, ob am Stück oder auf den Tag verteilt, absolvieren.
Welche Dinge sollte man vor einem Konzert nicht tun beziehungsweise welche sollte man tun?
Es gibt natürlich Speisen, die einen nicht fitter, sondern träger machen. Was sich nicht empfiehlt, ist ein großes Schlemmer-Menü vor dem Konzert. Ich versuche, weder satt noch hungrig auf die Bühne zu gehen, sondern in einem Zustand, in dem ich nicht ans Essen denke. Das heißt, ich muss rechtzeitig vorher gegessen haben, um für das Konzert die Kraft aufzubringen. Sicherlich sollte man auch nicht vergessen, Wasser zu trinken. Stilles Wasser trinken ist das Wichtigste für Trompeter, weil sich dadurch die Muskeln kräftigen und regenerieren können. Klar gibt es hinterher auch mal einen Drink mit den Gästen, aber ich versuche, das überschaubar zu halten.

Sie wurden im Jahr 2016 als einziger Jazzkünstler aus dem deutschsprachigen Raum von dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama ins Weiße Haus eingeladen, um mit anderen Künstlern den International Jazz Day der Unesco mit einem Konzert zu feiern. Wie war diese Erfahrung für Sie?
Das war ein sehr spannender Moment für mich. Zu sehen, wie etablierte und innovative Jazz-Musiker aus den USA berührt waren, vom ersten afroamerikanischen US-Präsidenten der USA im Garten des Weißen Hauses empfangen zu werden und dort zu feiern, war sehr bewegend für mich. Dass ein Präsident das offenkundig wertschätzt, was wir so lieben und in die Welt hinaustragen, und er den International Jazz ins Weiße Haus einlädt, tat der Musik gut. Natürlich war es auch beeindruckend, zu sehen, wer da alles plötzlich aufrauchte: Wolf Blitzer, Morgan Freeman, Sting, Herbie Hancock. Künstler, die gesagt haben: „Ich bin auf der ganzen Welt herumgereist, aber ich war noch nie im Weißen Haus.“
War das ein Höhepunkt in Ihrer Karriere?
Ich tue mich immer ein bisschen schwer damit, Höhepunkte zu benennen. Ich habe irgendwann mal festgestellt, dass Höhepunkte sich erst im Nachhinein als solche herausstellen. Ich hatte das Glück, schon in frühen Jahren mit namhaften Musikern, auch aus der zweiten Reihe, die nicht so wahnsinnig berühmt waren, zu spielen, wo ich noch nicht mal im Ansatz geahnt habe, dass das, was ich da mitgenommen habe, mich für den Rest meines Lebens stark beeinflusst. Ich habe mit Tony Bennett gespielt, mit Hildegard Knef und mit Ray Brown gearbeitet. Dafür braucht es aber die Jahre, die ins Land gehen, damit man merkt, man hat schon echt tolle Sachen gemacht.

Erneutes Vaterglück mit Partnerin Nadia Dassouki
Sie haben 2010 und 2011 einen Ausflug in die TV-Branche unternommen und waren Teil der Jury von „X-Factor“, haben beide Male sogar gewonnen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Sehr positive! Das war eine Zeit, in der mir sehr viel Sympathie entgegengebracht wurde und Castingshows noch auf dem Vormarsch waren. Ich hatte mit „X-Factor“ das Glück, in einer besonders ernsthaften Castingshow gelandet zu sein. Wahrscheinlich hat die Ernsthaftigkeit dieser Show am Ende ein bisschen den Garaus gemacht, als dann so eine Show wie „The Voice of Germany“ um die Ecke kam. Aber ich wurde da extrem gut behandelt. Ich konnte meinen Bekanntheitsgrad in dieser Zeit automatisch steigern. Obwohl das jetzt schon über zwölf Jahre her ist, kommen heute noch Leute auf mich zu, die mich damals bei „X-Factor“ gesehen haben. Das Schöne war, ich habe damals nicht lügen oder irgendwelche billigen Zoten reißen müssen, sondern man hat mich genau das sagen lassen, was ich dachte und sagen wollte. Und ich glaube, dass genau das am Ende auch dazu geführt hat, dass ich das zweimal gewinnen konnte. Ich bin damals ausgestiegen, weil ich meine Trompete echt vermisst habe. Aber man soll ja nie nie sagen und es kann sein, dass beim richtigen Telefonanruf so was auch noch mal infrage kommt.

Sie sind vor wenigen Jahren noch einmal Vater geworden, haben aber schon einen älteren Sohn. Wie ist das Gefühl?
Ich habe einen zwanzigjährigen Sohn und die Kleine ist gerade drei Jahre alt geworden. Ein Bekannter von mir sagte zu Anfang zu mir: „Ach, ihr habt jetzt zwei Einzelkinder!“ (lacht) Natürlich hatte er damit nicht ganz Unrecht. Ich führe immer noch ein Leben, das ein bisschen familienfeindlich anmutet. Deshalb ist da schon was dran. Aber es ist natürlich eine Verantwortung, die sich von der eines Singles, der sich solch eine Verpflichtung vielleicht ganz bewusst vom Leib hält, unterscheidet. Das ist nicht zu vergleichen. Trotzdem ist es so, dass Kinder immer ein Geschenk sind und nie ein Problem. Und wenn man das verstanden hat, merkt man, dass es manchmal nur so von Geschenken um einen herum wimmelt.