„Meine Grenzenlosigkeit hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin und meine Grenzenlosigkeit hat mich auch ins Gefängnis gebracht“, sagt Boris Becker (57) am Donnerstagabend (11. September) im Berliner Delphi Filmpalast. Es ist ein ganz besonderer Abend für den Tennis-Star und die ganze Familie Becker: Boris stellt an diesem Abend sein neues Buch „Inside“ vor – der Titel bezieht sich auch auf seine Zeit im Gefängnis, die einen großen Teil des Buches ausmacht. Auf dem Cover stehen seine Haftnummer A2923EV sowie die Worte „Gewinnen, verlieren, neu beginnen“. Auch der Berliner KURIER war vor Ort.
Boris Becker bringt einen Teil seiner Familie mit auf den roten Teppich
Interviews gibt Boris Becker an diesem Abend in der Hauptstadt nur an drei vorher festgelegte TV-Sender, die anderen Medien gehen leer aus, dürfen aber zumindest beim eineinhalbstündigen Gespräch mit Moderator Matthias Killing (45) lauschen.
Auch Boris Beckers Frau Lilian de Carvalho Monteiro (35), sein Sohn Noah Becker (31), seine Schwester Sabine Becker-Schorp und ihre zwei Kinder begleiten ihn auf den roten Teppich und später teilweise auch mit auf die Bühne. Doch noch ein sechstes Familienmitglied ist an diesem Abend mit dabei: Boris und Lilians noch ungeborenes Kind.

In einem weißen hautengen Kleid, das ihre Babykugel besonders gut betont, strahlt Lilian an der Seite der Tennis-Legende. Boris' mittlerweile fünftes Kind wird Mitte Dezember erwartet. Auch Boris kommt fast ganz in Weiß. Hose, Jackett, Schuhe, alles ist auf Lilians Outfit abgestimmt, nur Beckers Hemd ist Schwarz – vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, dass Boris Becker bezüglich seiner Insolvenzvergehen doch keine ganz so reine Weste hat, wie er sich selbst auch heute noch in manchen Momenten verkauft?
Denn ja, auch an diesem Abend erweckt Becker den Eindruck, als hätte er für die Sache mit dem Gerichtsurteil am 29. April 2022 und der anschließenden Haftstrafe eine plausible Erklärung. Er habe es damals nur zwei Wochen lang versäumt, seinem Insolvenzverwalter ein paar Vermögenswerte mitzuteilen und außerdem mit Mitteln aus der Firma Privatangelegenheiten bezahlt, das könne jedem passieren, stellt er klar. Er habe niemals vorsätzlich gehandelt, sondern eigentlich nur den falschen Leuten vertraut.

Ob das damals wirklich so war, wie Becker nach wie vor behauptet, man weiß es nicht. Doch ob die Strafe damals nun gerechtfertigt war oder nicht, spielt für Boris Becker scheinbar keine große Rolle mehr. So oder so hat ihn das Gefängnis gereinigt, ihn bescheidener und dankbarer gemacht und ihm gezeigt, wer wirklich an seiner Seite steht, erzählt er. Außerdem habe er seine Lektion gelernt. In der Zeit vor seiner Inhaftierung habe Becker in einer Komfortzone gelebt, viel getrunken und gegessen, nicht auf sich aufgepasst. Das Gefängnis war seine große Chance, davon ist er überzeugt. Heute weiß er wieder kleine Dinge zu schätzen. Und er glaubt, dass auch sein früher Karriereweg und das Leben in der Öffentlichkeit dazu geführt haben, dass er im Gefängnis gelandet ist. „Mein Wimbledon-Sieg 1985 trägt eine Mitschuld daran“, sagt er.
Plötzlich bekommt Boris Becker auf der Bühne feuchte Augen
Es scheint, als sei Boris Becker wirklich mit dem ganzen Thema versöhnt. Er ist gut drauf während des intensiven Gesprächs mit Matthias Killing, in dem er von seinen Erlebnissen in zwei britischen Gefängnissen berichtet. 231 Tage und Nächte seien das gewesen, betont er immer wieder. Trotz der schweren Thematik macht Boris zwischendurch Witze und lockert damit die gedrückte Stimmung wieder auf. In der ersten Nacht habe er Todesangst gehabt, erzählt er. Geweint habe er trotzdem selten – er sei generell nicht der Typ, der viel weint. Als Boris Becker davon berichtet, wie er damals von der einen Welt in Freiheit in die andere Welt in Gefangenschaft trat, bemerkt Matthias Killing dann aber auf einmal doch rote, feuchte Augen bei ihm.

Vor allem eins habe Boris Becker damals geholfen, die Zeit in Haft durchzustehen: Akzeptanz. Er habe einfach akzeptiert, dass er das Urteil nicht mehr ändern kann und es angenommen, diese Einstellung habe ihn gerettet. „Alles andere macht dich wahnsinnig.“ Anders war das bei seiner Frau Lilian, die zu Anfang gar nicht verstehen konnte und wollte, dass der große Boris Becker nun im Gefängnis endet, das erzählt sie selbst später auf der Bühne. Lilian antwortet zwar auf Englisch, versteht Deutsch aber sehr gut und spricht auch ein paar Worte. „Es ist das erste Mal, dass ich vor so vielen Leuten Deutsch spreche“, sagt sie und erntet dafür Applaus.
Für den ein oder anderen Lacher sorgt Sohn Noah, der Vater Boris nicht nur als „krassen Typen“ bezeichnet, sondern auch als eine Person „mit Swag“. Auf die Frage, was er seinem Vater nun für die weitere Zukunft wünscht, muss er erstmal nachdenken. Antworten tut schließlich Boris Becker selbst: „Frieden und Freiheit!“