Buch der Alt-Kanzlerin

Erster Blick in Merkels Memoiren: Das sagt sie über Putin und Trump

Putins „kindisches“ Verhalten, Trumps Desinteresse an Lösungen, der Rat des Papstes zum Umgang mit dem US-Präsidenten ... HIER erste Auszüge aus den Lebenserinnerungen von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Teilen
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Veranstaltung im Rahmen der Leipziger Buchmesse.
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Veranstaltung im Rahmen der Leipziger Buchmesse.dpa

Die Memoiren von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel werden mit Spannung erwartet. Nun gibt es erste Auszüge aus ihrem Buch „Freiheit: Erinnerungen 1954-2021“, veröffentlicht von der „Zeit“.  Die 70-Jährige beschreibt darin unter anderem denkwürdige Begegnungen mit SPD-Kanzler Gerhard Schröder, dem damaligen und künftigen US-Präsidenten Donald Trump sowie Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Und auch, warum sie keinen schnellen Nato-Beitritt der Ukraine wollte. Was berichtet Merkel worüber?

Merkel über ihre erste Begegnung mit Trump

Bei ihrem ersten Treffen mit dem damals neu gewählten US-Präsidenten befragte der sie 2017 im Oval Office des Weißen Hauses nach ihrem Verhältnis zu Putin. „Der rus­si­sche Prä­si­dent fas­zi­nier­te ihn of­fen­bar sehr. In den fol­gen­den Jah­ren hat­te ich den Ein­druck, dass Po­li­ti­ker mit au­to­kra­ti­schen und dik­ta­to­ri­schen Zü­gen ihn in ih­ren Bann zo­gen“, schreibt Merkel.

Die anschließende Pressekonferenz gestaltete sich schwierig. Trump habe Deutschland Vorhaltungen gemacht, sie habe mit Zahlen und Fakten geantwortet. „Wir re­de­ten auf zwei un­ter­schied­li­chen Ebe­nen. Trump auf der emo­tio­na­len, ich auf der sach­li­chen... Ei­ne Lö­sung der an­ge­spro­che­nen Pro­ble­me schien nicht sein Ziel zu sein“, erinnert sie sich. „Es kam mir vor, als ob er es dar­auf an­leg­te, sei­nem Ge­sprächs­part­ner ein schlech­tes Ge­wis­sen zu machen. Als er merk­te, dass ich en­er­gisch da­ge­gen­hielt, be­en­de­te er un­ver­mit­telt sei­ne Ti­ra­de und wech­sel­te das The­ma. Gleich­zei­tig woll­te er, so mein Ein­druck, sei­nem Gesprächspart­ner auch ge­fal­len.“

Angela Merkel (CDU) bei ihrem ersten Treffen 2017 mit US-Präsident Donald Trump im Oval Office im Weißen Haus.
Angela Merkel (CDU) bei ihrem ersten Treffen 2017 mit US-Präsident Donald Trump im Oval Office im Weißen Haus.dpa

Trump habe alles aus der Perspektive des Immobilienunternehmers gesehen, der ein Grundstück haben wolle. „Für ihn stan­den al­le Län­der mit­ein­an­der in ei­nem Wett­be­werb, bei dem der Er­folg des ei­nen der Miss­er­folg des an­de­ren war. Er glaub­te nicht, dass durch Ko­ope­ra­ti­on der Wohl­stand al­ler ge­mehrt wer­den konn­te.“

Merkel holte sich Rat beim Papst zum Umgang mit Trump

In ihrer Privataudienz bei Papst Franziskus wenige Monate später sprach Merkel ihre Sorge an, dass sich die USA unter Trump aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen. „Oh­ne Na­men zu nen­nen, frag­te ich ihn, wie er mit fun­da­men­tal un­ter­schied­li­chen Mei­nun­gen in ei­ner Grup­pe von wich­ti­gen Per­sön­lich­kei­ten um­ge­hen wür­de. Er ver­stand mich so­fort und ant­wor­te­te mir schnör­kel­los: „Bie­gen, bie­gen, bie­gen, aber ach­ten, dass es nicht bricht.“ Die­ses Bild ge­fiel mir.“

Besuch im Juni 2017 im Vatikan: Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Ehemann Joachim Sauer (li.) bei einer Privataudienz mit Papst Franziskus  zusammen.
Besuch im Juni 2017 im Vatikan: Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Ehemann Joachim Sauer (li.) bei einer Privataudienz mit Papst Franziskus zusammen.ANSA Pool/AP

Merkel über ihre Hoffnung für Kamala Harris

„Zu dem Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, ist der Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl im November 2024 noch offen“, beginnt die Alt-Kanzlerin. Merkel wünschte sich „von Herzen“, dass sich Kamala Harris bei der Präsidentschaftswahl gegen ihren Mitbewerber durchsetze und „zur ersten Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wird.“

Merkel über Wladimir Putins Machtspiele

Über Kreml-Chef Wladimir Putin schreibt Merkel, auch im Zusammenhang seines aggressiven Auftritt auf der  Münchener Sicherheitskonferenz im Jahr 2007, dass sie vor allem seine Selbstgerechtigkeit aufgeregt habe. Und: „In der Münchner Rede präsentierte sich Putin, so wie ich ihn erlebte: als jemand, der immer auf der Hut war, bloß nicht schlecht behandelt zu werden, und jederzeit bereit, auszuteilen, Machtspiele mit Hund und Andere-auf-sich-warten-Lassen inklusive.“ Sie nennt das Verhalten des russischen Präsidenten „kindisch und verwerflich“.

Mit den „Machtspielen mit Hund“ spielt Merkel auf eine Episode bei ihrem Besuch 2007 in Sotschi an. Merkel war von Putin in dessen Residenz am Schwarzen Meer empfangen worden. Zu dem Treffen brachte er seinen Hund „Koni“ mit, eine schwarze Labrador-Hündin. Putin wusste, dass die Kanzlerin Angst vor Hunden hat, seit sie einmal von einem Hund gebissen wurde.

Beim Treffen mit Merkel in Sotschi ließ Putin seine Labrador-Hündin dazukommen. Er wusste, dass die Kanzlerin Angst vor Hunden hat.
Beim Treffen mit Merkel in Sotschi ließ Putin seine Labrador-Hündin dazukommen. Er wusste, dass die Kanzlerin Angst vor Hunden hat.dpa

Merkel über Rüpel-Auftritt von Gerhard Schröder

Denkwürdig auch die Szene, mit der Merkel 2005 ins Amt kam: als nämlich SPD-Kanzler Gerhard Schröder in der Fernsehrunde am Abend der Bundestagswahl seine Niederlage nicht eingestehen wollte und der – allerdings denkbar knappen – Siegerin in rauem Ton prophezeite, seine Partei werde ihr niemals als Koalitionspartner ins Kanzleramt verhelfen. „Ich selbst saß da, als wä­re ich gar nicht Teil des Gan­zen, son­dern als schau­te ich mir zu Hau­se vor dem Fern­se­her die Sze­ne an. Im­mer wie­der sag­te ich mir: Be­gib dich nicht mit den an­de­ren in den Clinch, dann fängst du auch noch an, dich im Ton zu ver­grei­fen. Mir war voll­kom­men klar, dass ich et­was Be­son­de­res er­leb­te, aber al­les lief eher un­be­wusst ab. Ich be­zwei­fel­te sehr, ob Ger­hard Schrö­der ei­nem Mann ge­gen­über ge­nau­so auf­ge­tre­ten wä­re“, erinnert sich die Frau, die danach noch 16 Jahre lang regieren sollte.

Warum Merkel keinen schnellen Nato-Beitritt der Ukraine wollte

Ihre Politik gegenüber der Ukraine wird Merkel in Kiew bis heute vorgehalten. Über den entscheidenden Nato-Gipfel 2008 in Bukarest, als es um einen Plan für einen Beitrittskandidaten-Status der Ukraine und Georgiens ging, schreibt die damalige Kanzlerin: „Ich ver­stand den Wunsch der mit­tel- und ost­eu­ro­päi­schen Län­der, so schnell wie mög­lich Mit­glied der Na­to zu wer­den.“ Aber: „Die Auf­nah­me ei­nes neu­en Mit­glieds soll­te nicht nur ihm ein Mehr an Si­cher­heit brin­gen, son­dern auch der Na­to.“

Dabei sah sie Risiken hinsichtlich der vertraglich abgesicherten Präsenz der russischen Schwarzmeerflotte auf der ukrainischen Halbinsel Krim. „Ei­ne sol­che Ver­qui­ckung mit rus­si­schen Mi­li­tär­struk­tu­ren hat­te es bis­lang bei kei­nem der Na­to-Bei­tritts­kan­di­da­ten ge­ge­ben. Au­ßer­dem un­ter­stütz­te da­mals nur ei­ne Min­der­heit der ukrai­ni­schen Be­völ­ke­rung ei­ne Mit­glied­schaft des Lan­des in der Nato“, erinnert sie sich.

„Ich hielt es für ei­ne Il­lu­si­on an­zu­neh­men, dass der MAP-Sta­tus (Beitrittskandidaten-Status) der Ukrai­ne und Ge­or­gi­en Schutz vor Pu­tins Ag­gres­si­on ge­ge­ben hät­te, dass al­so die­ser Status so ab­schre­ckend ge­wirkt hät­te, dass Pu­tin die Ent­wick­lun­gen ta­ten­los hin­ge­nom­men hät­te. Wä­re es da­mals im Ernst­fall vor­stell­bar ge­we­sen, dass die Na­to-Mit­glied­staa­ten mi­li­tä­risch – mit Ma­te­ri­al wie mit Trup­pen – ge­ant­wor­tet und ein­ge­grif­fen hät­ten? Wä­re es vor­stell­bar ge­we­sen, dass ich als Bun­des­kanz­le­rin den Deut­schen Bun­des­tag um ein sol­ches Man­dat auch für un­se­re Bun­des­wehr ge­be­ten und da­für ei­ne Mehr­heit be­kom­men hät­te?“

Am Ende stand ein Kompromiss, der aber einen Preis hatte, wie Merkel schreibt: „Dass Ge­or­gi­en und die Ukrai­ne kei­ne Zu­sa­ge für ei­nen MAP-Sta­tus be­ka­men, war für sie ein Nein zu ih­ren Hoff­nun­gen. Dass die Na­to ih­nen zu­gleich ei­ne ge­ne­rel­le Zu­sa­ge für ih­re Mit­glied­schaft in Aus­sicht stell­te, war für Pu­tin ein Ja zur Na­to-Mit­glied­schaft bei­der Län­der, ei­ne Kampf­an­sa­ge.“ ■