
Es gibt nur eine Sache, in der sich Joe Biden und Donald Trump öffentlich einig sind: Beide haben die nächste Präsidentschaftswahl zu einem existentiellen Event für die Vereinigten Staaten proklamiert. Die Demokraten warnen, dass ein Comeback von Trump die letzte demokratische Wahl bedeuten könnte. Und die „Make America Great Again“-Fraktion droht, dass mit einer Wiederwahl von Biden das Land unwiderruflich von der marxistischen, Amerika hassenden, „Woke“-Bewegung zerstört wird.
Trotz der immensen Bedeutung des Biden-Trump Duells in sechs Monaten gehen Strategen beider Parteien inzwischen davon aus, dass gerade mal 6 Prozent der Wähler in nur sechs Bundesstaaten den Ausgang der Wahl bestimmen werden. Dieser wird nach aktuellen Umfragen mit hoher Wahrscheinlichkeit erst Wochen nach dem 5. November klar sein – so knapp ist es und so unberechenbar ist die politische Lage.
Zur Erinnerung: Nach dem antiquierten amerikanischen Wahlsystem ist es völlig unbedeutend für die Ausgang der Wahl, welcher Kandidat am Ende landesweit die meisten Stimmen bekommt. Der Gewinner braucht stattdessen die 270-Stimmen-Mehrheit des Wahlmännergremiums (Electoral College). Jeder Bundesstaat bekommt nach Bevölkerungsgröße eine bestimme Anzahl von Wahlmänner (oder Wahlfrauen). Erhält ein Kandidat die Mehrheit der Wählerstimmen in einem Staat, bekommt er in 48 von 50 Bundesstaaten alle Stimmen der Wahlleute.
Trump vs. Biden: Wer zieht ins Weiße Haus?
Der Wahlausgang in insgesamt 44 Bundesstaaten gilt schon jetzt als „sicher“ oder „ziemlich sicher“ für Trump oder Biden. Nur wer die insgesamt 77 Wahlmänner aus Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin für sich gewinnen kann, das liegt noch völlig in der Luft. In diesen „Schlachtfeld-Staaten“ werden am Ende die unentschlossenen, meist parteilosen „Swing-Wähler“, das Zünglein an der Waage spielen. Das bedeutet, dass beide Seiten in den nächsten sechs Monaten Milliarden von Dollar investieren werden, um eine Minderheit der 244 Millionen US-Wahlberechtigten – geschätzte 15 Millionen Wähler – in ihr Lager zu ziehen.
Wie knapp und umkämpft es werden wird, zeigt auch noch einmal der Blick zurück ins Jahr 2020, in dem 158 Millionen Amerikaner gewählt hatten. Laut einer Analyse der „Washington Post“ hätte Donald Trump lediglich 81 000 mehr Stimmen in Arizona, Nevada, Wisconsin and Georgia gebraucht, um im Weißen Haus zu bleiben. Und in den sechs entscheidenden „Swing States“ bekam Biden gerade einmal 300 000 mehr Stimmen als Trump. Sprich 95,5 Prozent der US-Wähler hatten keinen wirklichen Einfluss auf den Ausgang der Wahl.
Zurück zur noch völlig offenen Frage, wer im November die Nase vorn haben wird. Intern machen sich die Demokraten mehr Sorgen als die Republikaner, weil Trump in allen sechs Swing-Staates nach der neusten Umfrage des „Emerson College“ die Nase leicht vorn hat und 283 Wahlmänner (zu Biden 255) hinter sich vereinen würde. Allerdings könnten die bislang unentschlossenen Wähler Biden jeweils noch zum Sieg verhelfen – zumal der Präsident mehr als das Doppelte an Wahlkampfgeldern auf der hohen Kante haben soll.
Eine Trumpfkarte für Biden könnte zudem der dritte Kandidat im Bunde – Robert F. Kennedy Jr. – werden, der nach Umfragen mehr Wähler aus dem Trump-Lager entführen würde. Dieser muss allerdings noch genug Unterschriften sammeln, um in den wichtigen Bundesstaaten Arizona, Georgia und Nevada auf die Wahllisten zu gelangen. ■