Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, wies im Nato-Hauptquartier Medienberichte zurück, er habe bei seinem vorherigen Auftritt auf dem EU-Gipfel eine mögliche Wiederbewaffnung seines Landes mit Atomwaffen angedeutet. „Wir haben nie darüber gesprochen, dass wir den Bau von Atomwaffen vorbereiten“, sagte der Präsident.
Vielmehr habe er auf das Budapester Memorandum von 1994 verwiesen. Damals habe die Ukraine auf die Atomwaffen auf ihrem Gebiet verzichtet und im Gegenzug Sicherheitsgarantien auch von Russland erhalten. Der russische Präsident Wladimir Putin habe die Garantien jedoch durch sein militärisches Vorgehen aufgekündigt, deshalb sei die Nato-Mitgliedschaft heute die einzige Alternative für die Ukraine.
Selenskyj erhöht Druck: Atomwaffen oder Nato-Beitritt
Selenskyj hatte am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel aber sehr wohl angedeutet, dass sein Land versuchen könne, Nuklearwaffen zu erhalten, um eine Form der Abschreckung gegenüber Moskau zu erreichen. Das aber nur, wenn es nicht in die Nato eintreten könne. „Entweder verfügt die Ukraine über Nuklearwaffen, die ihr als Schutz dienen, oder sie muss Mitglied in einer Allianz sein“, sagte der ukrainische Präsident. „Wir kennen keine Allianz, die so effizient ist“, wie die Nato, betonte er.
Vermutlich wollte Selenskyj so den Druck auf die Nato-Mitglieder erhöhen, denn auch wenn es immer wieder Lippenbekenntnisse für einen Beitritt der Ukraine zum Bündnis gibt, fehlen bisher konkrete Schritte. „Die Ukraine verdient es, Nato-Mitglied zu werden“, sagte Selenskyj bei einem gemeinsamen Auftritt mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte – und fügte mit einem Seitenblick auf Rutte hinzu „eines Tages“. Er nannte es „falsch, die Ukraine politisch von dem Bündnis auszuschließen, wenn sie in der Praxis bereits Teil der Nato ist“.
Rutte fiel Selenskyj in der Pressekonferenz mehrfach ins Wort, auch bei der Beitrittsfrage. „Ukraine wird ein Nato-Mitglied werden, daran besteht kein Zweifel“, versicherte Rutte. Vor Selenskyjs Besuch hatte sich der neue Generalsekretär noch zurückhaltender geäußert. Er verwies auf die Erklärung des Bündnis-Gipfels in Washington im Juli, wonach die Ukraine auf einem „unumkehrbaren“ Weg zur Mitgliedschaft ist. Wann genau der Beitritt erfolge, könne er jedoch nicht sagen, räumte der Niederländer ein.

Berlin: Ukraine hat mit Kernwaffenverzicht viel geleistet – Moskau gefährdet es
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin betonte am Freitag , welche Leistung das Land 1994 gebracht habe, als man den Verzicht auf das damals drittgrößte Kernwaffenarsenal der Welt erklärte. Die Ukraine sei „das einzige Land auf der Welt ... das jemals im Besitz von Atomwaffen war und diese abgegeben hat“. Sie habe dafür Garantien erhalten, unter anderem der territorialen Integrität und der Wahrung seiner Souveränität. „Im Gegenzug für diese Sicherheitsgarantien hat die Ukraine ihre Waffen aufgegeben und ist dem Nichtverbreitungsvertrag beigetreten.“ Russland trete jedoch „das Budapester Memorandum mit Füßen“.
Der Ministeriumssprecher verwies zudem darauf, dass sich die Ukraine zuletzt im Sommer dieses Jahres zum Ziel der nuklearen Abrüstung in einer nuklearwaffenfreien Welt bekannt habe.
Putin weist Verantwortung von sich
Russlands Staatschef Putin wies die Äußerungen Selenskyjs als „gefährliche Provokation“ zurück. „Auf jeden Schritt in diese Richtung wird es eine entsprechende Reaktion geben“, sagte Putin am Freitag vor ausländischen Journalisten.
Er wisse nicht, ob die Ukraine in der Lage sei, eine Atomwaffe zu entwickeln, sagte Putin, fügte aber hinzu, dies sei „nicht schwierig in der modernen Welt“. Er könne auf jeden Fall sagen, „dass Russland unter keinen Umständen zulassen wird, dass dies geschieht“, fügte Putin hinzu. ■