Der Mannheimer Stadtrat Julien Ferrat setzt auf Skandale – und zeigt sich gerne nackt. Doch dieses Mal geht die örtliche CDU gegen den Vertreter der kommunalen Wählerinitiative „Die Mannheimer“ auf die Barrikaden! Und auch bei der Berliner CDU findet die Aktion wenig Anklang.
Stein des Anstoßes ist ein Aufruf im Mannheimer Amtsblatt. Auf dem dazugehörigen Foto ist Stadtrat Julien Ferrat nackt am Strand zu sehen – sein Geschlechtsteil bedeckt er nur mit einem Schild mit der Aufschrift „Die Mannheimer im Gemeinderat“. Die Überschrift des Artikels lautet: „Politische Bildungsfahrt nach Cap d’Agde“. Darunter ruft der 33-Jährige zu einem „unvergesslichen FKK-Swinger-Urlaub mit interessantem Politik-Programm“ auf. Zu Cap d’Agde an der französischen Mittelmeerküste gehört die FKK-Anlage Village Naturiste.
Besuche in Swinger-Clubs geplant
Die Einladung ist ernst gemeint“, sagt Ferrat. „Wer Interesse hat, soll mir gerne eine E-Mail schreiben und dann gucken wir mal, wie es weitergeht.“ Es gebe bereits erste Interessenten. Im August soll es demnach acht Tage nach Frankreich gehen. Die Reisekosten trage jeder Teilnehmer selbst. Die CDU in Mannheim kritisiert die Aktion als „hirnverbrannt“, die Stadt hingegen verweist lediglich auf die allgemeinen Vorgaben für Beiträge der Stadträte im Amtsblatt.
„Das Village naturiste in Cap d’Agde gilt als Mekka für Nudisten und Swinger“, schreibt Ferrat in seinem Beitrag. „Was nur wenige wissen: Ohne die staatliche Tourismus-Förderung (...) wäre dieser Ort niemals entstanden.“ Er spricht von einem „Vorzeigeprojekt für eine staatlich geplante Stadtentwicklung zur Stärkung der lokalen Wirtschaft“. Ziel sei ein „Tourismus-Hotspot für Nudisten“ gewesen. Nach und nach seien dann auch Swingerclubs dazugekommen.

Was genau bei der Reise geboten sein werde? „Zum einen wollen wir uns natürlich den Strand angucken, Swinger-Clubs und so weiter und so fort“, sagt Ferrat. „Aber es gibt auch eine politische Komponente.“ So solle es etwa Gespräche mit dem Tourismusbüro, Vertretern der Stadtverwaltung sowie Hoteliers geben.
Auf der offiziellen Webseite des Tourismusbüros von Cap d’Agde wird das FKK-Dorf in Frankreich ausführlich beworben. Private Anbieter sprechen von einem „Urlaubsort ohne Hemmungen“ und bezeichnen Swinger-Hotels im Village naturiste als eine „einzigartige Mischung aus FKK-Urlaub und prickelnder Sinnlichkeit“.
„Viele Politiker bieten ja Bildungsfahrten im Bundestag, ins Europäische Parlament an“, sagt Ferrat. „Deswegen habe ich mir gedacht: Machen wir doch mal was anderes.“ Und über das Amtsblatt habe er schlicht die Möglichkeit gehabt, viele Menschen zu erreichen. Ferrat ist Alleinstadtrat, studiert sonst Sozialwissenschaften und ist im Online-Handel tätig. Genauer will er seine berufliche Tätigkeit nicht beschreiben.
Stadtrat verteidigt freiwillige Aktion
Die CDU kritisiert den Beitrag im Amtsblatt scharf. „Ich finde den Aufruf an der Stelle hirnverbrannt, weil ich glaube, dass er der Politik eher schadet“, sagt Christian Hötting, CDU-Kreisvorsitzender in Mannheim und Stadtrat. „Ich kann da nichts Sinnvolles drin erkennen, was die Stadt, was die Menschen in dieser Stadt nach vorne bringt. Es ist einfach nur so ein bisschen zum Fremdschämen.“
Auch die Berliner CDU-Kollegen pflichten ihm da bei: „Ich kann die Einzelheiten der Begebenheit in Mannheim nicht bewerten, da die Mannheimer Lokalpolitik nun auch nicht in meinem Informationsfokus steht“, lässt uns Benjamin Hudler, Vorsitzender der CDU-Fraktion in Lichtenberg wissen. „Als CDU-Fraktion Lichtenberg arbeiten wir jeden Tag dafür, das Leben der Menschen in unserem Heimatbezirk ein bisschen besser zu machen. Urlaubsreisen gehören dabei nicht in das Leistungsangebot kommunalpolitischer Arbeit.“
Und auch Martin Paetzold für die CDU im Berliner Abgeordnetenhaus stellt klar: „Kommunalpolitiker sollten sich dafür einsetzen, die Lebenswirklichkeiten der Menschen vor Ort zu verbessern. Ich sehe nicht, wie solche Aktionen in Mannheim, dazu einen Beitrag leisten. Am Ende schadet das der Politik insgesamt.“
Christian Hötting sieht in Mannheim das Ansehen des Mannheimer Gemeinderats durch die Aktion „zumindest mal angekratzt“. Die Menschen würden das Verhalten eines Stadtrates auch auf die anderen übertragen und denken: „Die da oben machen so einen Unsinn.“ Dagegen vorgehen werde die CDU-Fraktion seiner Ansicht nach aber nicht. „Man wertet das Ganze nur unnötig auf.“
Ferrat weist die Kritik zurück. „Niemand wird ja gezwungen, da hinzugehen“, sagt der Stadtrat. „Wer sich daran stört, soll einfach den Artikel weglegen.“
Die Stadtverwaltung hält sich mit einer Bewertung des Beitrags zurück. „Das Amtsblatt als amtliches Verkündungsorgan der Gemeinde unterliegt besonderer parteipolitischer Neutralität“, sagt ein Sprecher.
Ferrat lud auch schon zur Nacktsprechstunde
Die Mitglieder des Gemeinderats würden ihre Beiträge in Eigenverantwortung verfassen. Deswegen werde unter der Rubrik „Stimmen aus dem Gemeinderat“ stets der rechtliche Hinweis abgedruckt: „Die Fraktionen, Gruppierungen und Einzelstadträtinnen bzw. Einzelstadträte übernehmen die inhaltliche Verantwortung für ihre Beiträge.“ Beiträge werden demnach nur abgewiesen, wenn sie etwa ehrverletzend sind, keinen kommunalen Bezug haben oder falsche Behauptungen enthalten.
Es ist nicht das erste Mal, dass Stadtrat Ferrat öffentlich die Hüllen fallen lässt: Bereits im vergangenen Sommer veröffentlichte er eine Vorstellung seiner Person im Amtsblatt – das Foto dazu zeigte ihn nackt, sein Geschlecht bedeckte er schlicht mit seinen Händen. Auch zur Nacktsprechstunde lud er bereits ein und versprach „völlige Transparenz“.