Jeder von uns wird früher oder später mal krank – und dann springen bei den meisten Arbeitnehmern die gesetzlichen Krankenkassen ein. Sie übernehmen die Kosten für viele Behandlungen, Medikamente und Co. Doch die Kassen sind klamm! Experten gehen davon aus, dass die Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Jahr weiter steigen werden. Ein Experte fordert, dass Patienten an anderen Stellen noch tiefer in die Tasche greifen: Ralf Hermes, Vorstand der IKK Innovationskasse, verrät in einem Interview mit der Berliner Zeitung, warum die Zuzahlungen zu Medikamenten steigen sollten und warum eine Praxisgebühr nötig ist.
Experte warnt: Finanzielle Lage bei den Krankenkasse ist dramatisch!
Laut Hermes sei die finanzielle Lage bei den Gesetzlichen Krankenkassen sehr schlecht. „Die Kassen haben ein Negativvermögen, schreiben rote Zahlen. Sie leben von der Hand in den Mund“, sagte er im Interview gegenüber der Berliner Zeitung (erscheint, wie der KURIER, im Berliner Verlag). Die Folge: „Die Kassen sind nicht mehr in der Lage, tagesgenau ihren Verpflichtungen nachzukommen. Das gilt für Krankenhausrechnungen, für die Zahlung von Krankengeld und für vieles mehr“, sagt er.
Normalerweise, erklärt der Experte, bekämen die Kassen jeden Tag eine Teilsumme aus dem Gesundheitsfonds. „Derzeit ist das phasenweise nicht der Fall. Im Februar war es bei meiner Kasse so, dass 14 Tage gar kein Geld kam. Mir berichten aber auch die Leistungserbringer, zum Beispiel aus dem Kliniksektor, dass bei ihnen das Geld vorne und hinten nicht reicht.“ Es bestehe die Gefahr, dass Krankenkassen in die Insolvenz gehen – und schon bald könnte Deutschland mit weiteren Beitragssteigerungen „auf breiter Front“ konfrontiert sein.

Auch Doris Pfeiffer, die Chefin des GKV-Spitzenverbandes, hatte sich vor Tagen zu den Problemen der Krankenkassen geäußert. „Wir brauchen eine Bremse bei dem fortwährenden Ausgabenanstieg“, sagte sie. Das Defizit der Krankenkassen stieg ihren Angaben nach im vergangenen Jahr auf 6,2 Milliarden Euro. Das seien 700 Millionen Euro mehr als zuletzt erwartet. Zum Jahreswechsel waren die Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse bereits von zuvor 16,3 Prozent auf durchschnittlich 17,5 Prozent gestiegen.
Experte: Zuzahlungen zu Medikamenten könnten sich verdoppeln
Laut Hermes brauche es eine „Sofortbremsung“ für das System. Heißt: „Alle müssen ihren Beitrag leisten, nicht nur die Versicherten, die Patientinnen und Patienten, sondern auch die Leistungserbringer, die Krankenhäuser, Ärzte, Zahnärzte, Therapeuten und so weiter“, sagt er. „Deshalb müssen alle Ausgabenbereiche eingefroren werden.“ Doch auch die Versicherten selbst könnten seiner Meinung nach einen Teil dazu beitragen. So sollten die Zuzahlungen bei Arzneimitteln laut Hermes verdoppelt werden – auf zehn oder sogar 20 Euro, sagt er. „Bei chronisch Kranken, die bedürftig sind, kann eine Sozialklausel greifen. Normalverdiener werden maximal 20 Euro nicht finanziell ruinieren.“

Und nicht nur das: auch eine Rückkehr der Praxisgebühr kann er sich vorstellen. „Wir haben das Problem, dass Patienten nur schwer Termine bei Fachärzten bekommen. Deshalb sollte die Praxisgebühr wieder eingeführt werden.“ Früher lag die Gebühr bei zehn Euro – laut dem Experten würde das Milliarden bringen. Die Gebühr könne auch ein Steuerungsinstrument sein. „Zehn Euro pro Praxisbesuch halten einen erkrankten Menschen niemals davon ab, einen Arzt aufzusuchen. Die Praxisgebühr führt also nicht dazu, dass normal verdienende Menschen Krankheiten verschleppen. Bei sozial Schwachen könnte ebenfalls eine Sozialklausel greifen. Außerdem wäre pro Quartal eine Obergrenze von 30 Euro möglich.
„Wenn die Politik nicht umgehend handelt, dreht sich die Beitragsspirale einfach weiter“, warnte Doris Pfeiffer. Dann würden die Beiträge spätestens Anfang 2026 für Millionen Versicherte wieder deutlich steigen. Sie forderte einen „grundlegenden Kurswechsel“ in der Gesundheitspolitik. Oft müssten die Kassen zu viel Geld für zu wenig Qualität bezahlen, sagte Pfeiffer dem RND. Sie sprach sich für ein Ausgabenmoratorium aus - also dass die Kassen ab sofort nicht mehr ausgeben müssten als sie über Beiträge einnehmen. Dieses Moratorium müsse so lange gelten, bis durch Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder ins Gleichgewicht gebracht seien. ■