Traumatische Berichte

Krieg in Gaza: Die Angst eines Arztes vor den Verletzten

Chefarzt Ahmed Abunada flüchtete aus „seiner“ Klinik in der Stadt Gaza. Nun ist er in Deutschland. Was er berichtet, ist traumatisierend

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Israelische Soldaten stehen vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza. Aus diesem ist Chefarzt Ahmed Abunada geflohen.
Israelische Soldaten stehen vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza. Aus diesem ist Chefarzt Ahmed Abunada geflohen.Victor R. Caivano/AP/dpa

Machtlos! So fühlte sich Ahmed Abunada in der letzten Woche, bevor er die Flucht ergriff. Der 47-Jährige war zuvor Chefarzt im Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza. Nun ist er, der in Deutschland studierte, hier 20 Jahre lebte, zurück in seiner zweiten Heimat – und berichtet Traumatisches.

„Ich will keine Verletzten mehr sehen“, erklärt Ahmed Abunada. Anfang November verließ der Chirurg das Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza. Die Situation sei untragbar geworden, erzählt er: „Die Klinik existiert nicht mehr – nur noch ein Gebäude. Wir hatten keinen Strom, kein Wasser und keinen Sauerstoff. Ohne Sauerstoff aber kann man nicht operieren".

Chefarzt Ahmed Abunada flüchtet aus Al-Schifa-Krankenhaus

Er habe in der letzten Woche seine Arbeit nicht mehr machen können. „Ich stand da und konnte den Patienten nicht mehr helfen. Ich war genauso machtlos wie sie. Ich wartete, bis der Patient stirbt“, erinnert sich der Chirurg.

Nach Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas habe er immer wieder vor schwierigen Entscheidungen gestanden, sagt der Chefarzt von Al-Schifas Abteilung für Gefäßchirurgie: Lasse er „diesen Mann“ oder „diese Frau“ sterben; keine Zeit, ein schwer verletztes Kind wieder zusammenzuflicken, also amputieren – „das sind Entscheidungen für einen Arzt, die sehr schwer sind“.

Nun konnte Ahmed Abunada über den ägyptischen Grenzübergang Rafah aus dem Gazastreifen ausreisen und wurde am Freitag nach seiner Ankunft in Deutschland mit anderen Palästinensern mit deutschem Pass von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen.

Frank-Walter Steinmeier begrüßt Ahmed Abunada, Chefarzt der Klinik in der Stadt Gaza, der vor den Um- und Zuständen geflüchtet ist.
Frank-Walter Steinmeier begrüßt Ahmed Abunada, Chefarzt der Klinik in der Stadt Gaza, der vor den Um- und Zuständen geflüchtet ist.Odd ANDERSEN / AFP

Ahmed Abunada hat in Deutschland studiert, ein Teil seiner Familie lebt in Hessen. Er selbst lebt seit acht Jahren mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Gaza. Eines von ihnen wurde vor ihrer Abreise verletzt.

Ahmed Abunada lässt Familie im Gazastreifen zurück

Einige seiner Angehörigen sind im Gazastreifen geblieben, darunter seine 85-jährige Mutter, die zu Fuß in den Süden des Palästinensergebiets flüchten musste. Um sie macht er sich große Sorgen.

Dass die Angriffe der israelischen Armee auf den Gazastreifen eine Reaktion auf den Großangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel sind, bei dem israelischen Angaben zufolge rund 1200 Menschen getötet und rund 240 weitere verschleppt wurden, lässt er weitgehend unkommentiert.

Zu den Vorwürfen der israelischen Armee, wonach die Hamas in seinem Krankenhaus eine Kommandozentrale unterhielt, sagt Ahmed Abunada nur kurz: „Ich habe dort als Arzt gearbeitet, ich habe nichts mitbekommen“.

Der 47-Jährige hofft nach eigenen Angaben, dass die internationale Gemeinschaft in dem Krieg „beide Seiten“ sieht und dabei vor allem die „humanitären und menschlichen Fragen“ berücksichtigt.