Erste Aussagen

Hamas-Geiseln: „Hungrig, barfuß und in ständiger Angst“

Freigelassene Geiseln berichten über grausame Details ihrer Gefangenschaft. Die Männer wurden ausgehungert und misshandelt.

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Eli Scharabi (Mitte), einer der israelischen Gefangenen, die die Hamas in Geiselhaft hielt und noch hält, bei seiner Freilassung am vergangenen Sonnabend.
Eli Scharabi (Mitte), einer der israelischen Gefangenen, die die Hamas in Geiselhaft hielt und noch hält, bei seiner Freilassung am vergangenen Sonnabend.Abdel Kareem Hana/AP/dpa

Zwischen vermummten Bewaffneten und hunderten Schaulustige wurden die drei zuletzt freigelassenen israelischen Geiseln der Hamas zur Schau gestellt. Die Männer waren abgemagert, sie sahen ausgehungert, desorientiert und endlos erschöpft aus. Jetzt gibt es erste Details über ihre grausame Geiselhaft. Sie wurden misshandelt und in Angst gehalten.

Ohad Ben Ami (56), Eli Scharabi (52) und Or Levy (34) waren am vergangenen Sonnabend im Rahmen einer Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas freigekommen. Sie waren für die martialische Inszenierung ihrer Freilassung auf eine improvisierte Bühne geführt worden, mussten gegenüber einer feindseligen Menge Erklärungen vorlesen. Die Bilder von den abgemagerten, geschwächten Geiseln sorgten in Israel für Entsetzen.

Angekettet in einem dunklen, niedrigen Tunnel

Fast 500 Tage waren sie in der Geiselhaft der Hamas. Israelische Medien berichteten, einer der Männer sei angekettet gewesen und habe fast die gesamte Zeit in einem dunklen Tunnel verbracht. Er habe dabei weder gerade stehen noch gehen können.  Und der Bruder von Or Levy berichtet, der 34-Jährige sei „16 Monate lang hungrig, barfuß und in ständiger Angst“ gewesen.

Or Levy erfuhr erst nach seiner Freilassung vom Tod seiner Frau bei dem Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023. Er war mit ihr auf dem Nova-Musikfestival nahe der Grenze zum Gazastreifen gewesen, als die Islamisten mit ihrem Massaker begannen. Die junge Frau starb, als sie in einem Unterstand Schutz suchte, Or Levy wurde verschleppt. Ihren gemeinsamen kleinen Sohn ließen sie an jenem Tag bei den Großeltern. Bei einem bewegenden Wiedersehen konnte Levy den Dreijährigen jetzt in die Arme schließen.

Or Levy wird nach 491 Tagen Geiselhaft von seiner Familie in die Arme genommen. Seine Frau war bei dem Massaker der Hamas ermordet worden.
Or Levy wird nach 491 Tagen Geiselhaft von seiner Familie in die Arme genommen. Seine Frau war bei dem Massaker der Hamas ermordet worden.UPI Photo / Imago

Auch Eli Scharabi erwarteten bei der Freilassung schlimmste Nachrichten. Der 52-Jährige habe nicht gewusst, dass seine Frau sowie die beiden gemeinsamen Töchter von Terroristen während des Hamas-Massakers vor 16 Monaten ermordet worden seien, berichtete der israelische Sender Channel 12. Die Mädchen waren demnach damals 13 und 16 Jahre alt.

Eli Scharabi vor der Entführung durch die Hamas. Und rechts bei seiner Freilassung. Er verlor bei dem Massaker seine Frau und seine zwei Töchter, was er erst nach seiner Freilassung erfuhr.
Eli Scharabi vor der Entführung durch die Hamas. Und rechts bei seiner Freilassung. Er verlor bei dem Massaker seine Frau und seine zwei Töchter, was er erst nach seiner Freilassung erfuhr.Hostage's Family Forum/AP

Körperliche und seelische Langzeitfolgen

Der für die Geiseln zuständige Medizinprofessor Hagai Levine sprach von „brutalen, unmenschlichen Bedingungen“ der Hamas-Geiselhaft. Die verbliebenen Geiseln im Gazastreifen seien in „unmittelbarer Lebensgefahr“, warnte er und forderte ihre sofortige Freilassung.

Die Untersuchungen der befreiten Geiseln hätten alarmierende Ergebnisse gehabt. Sie litten teilweise an extremer Unterernährung und mehrfachem Organschaden. In der Geiselhaft hätten sie „extrem schlechte Hygiene, Mangel an frischer Luft und Sonnenlicht“ erlebt sowie extreme körperliche und psychologische Misshandlung durch die Kidnapper, sagte Levine. Er warnte vor schwerwiegenden körperlichen und seelischen Langzeitfolgen. ■