Die ersten sind frei

Donald Trump: Er begnadigt irren Schamanen und andere Kapitol-Stürmer

Insgesamt 1583 Beteiligte waren im Zusammenhang mit der Erstürmung des Kapitols beschuldigt, angeklagt und teils auch zu langen Haftstrafen verurteilt worden.

Teilen
Der als sogenannter QAnon-Schamane bekannt gewordene Jacob Chansley schrieb im Onlinedienst X: „Ich wurde begnadigt, Baby! Danke Präsident Trump!“
Der als sogenannter QAnon-Schamane bekannt gewordene Jacob Chansley schrieb im Onlinedienst X: „Ich wurde begnadigt, Baby! Danke Präsident Trump!“Manuel Balce Ceneta/AP/dpa

Donald Trump wartet nach seiner Amtseinführung nicht lange mit einer besonders kontroversen Entscheidung: Er begnadigt alle Verurteilten der Kapitol-Attacke. Nur Stunden später sind die ersten frei. Aus der Datenbank der US-Behörde, die für die Bundesgefängnisse zuständig ist, geht hervor, dass mehrere Häftlinge noch am Montag – also am Tag von Trumps Vereidigung und der Verkündung seiner Begnadigungsaktion – freigelassen wurden. Am Tag danach folgten weitere.

Die Begnadigung der Kapitol-Erstürmer durch US-Präsident Donald Trump hat bei Opfern des Gewaltausbruchs und bei den Demokraten helle Empörung ausgelöst, bei den Begnadigten und im Lager der Trump-Anhänger hingegen Jubel und Erleichterung. Der präsidiale Gnadenakt, nur wenige Stunden nach seiner Vereidigung von Trump unterzeichnet, setzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der US-Demokratie.

„Von Trump inspirierte Schlägerbande“ frei

Der demokratische Senator Dick Durbin sprach am Dienstag von einer „nationalen Peinlichkeit“. Nun komme allen Ernstes eine „von Trump inspirierte Schlägerbande“ frei. Die prominente Demokratin Nancy Pelosi nannte das Vorgehen Trumps eine „ungeheuerliche Beleidigung für unser Justizsystem und die Helden, die körperliche Narben und emotionale Traumata erlitten haben, als sie das Kapitol, den Kongress und die Verfassung schützten“. Pelosi war zum Zeitpunkt des Angriffs auf das Kapitol, am 6. Januar 2021, Vorsitzende des Repräsentantenhauses.

Der frühere Polizeibeamte Michael Fanone, der von den Randalierern geschlagen und mit einem Taser misshandelt worden war, sagte dem Sender CNN, er fühle sich von seinem Land verraten. „Sechs Personen, die mich angegriffen haben, als ich am 6. Januar meine Arbeit tat (...) werden jetzt frei herumlaufen.“

Trump hatte am Montag mit einem Federstrich alle an der Erstürmung des Kongressgebäudes Beteiligten begnadigt oder deren Strafen für verbüßt erklärt. Insgesamt 1583 Beteiligte waren im Zusammenhang mit der Erstürmung des Kapitols beschuldigt, angeklagt und teils auch zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Mit seinem Dekret stoppte Trump alle noch anhängigen Strafverfahren.

Von dem Erlass profitieren mehrere Mitglieder der rechtsextremen Milizen Proud Boys (Stolze Jungs) und Oath Keepers (Hüter des Eides). Die 18-jährige Haftstrafe für Stewart Rhodes, den Gründer der Oath Keepers, wurde für verbüßt erklärt. Der frühere Anführer der Proud Boys, Enrique Tarrio, der zu 22 Jahren Haft verurteilt worden war, wurde begnadigt. Seine Mutter schrieb auf der Plattform X, auch ihr Sohn sei nun in Freiheit. Sie pries ihn als noblen Patrioten und rief auf, ihn „aufzubauen“ nach seiner Haft.

Die glühende Trump-Verehrerin und republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene wünschte dem Präsidenten zum Dank auf X Gottes Segen. „Es ist endlich vorbei“, schrieb sie. „Wir werden den Demokraten niemals verzeihen, was sie getan haben.“

QAnon-Schamane: „Ich wurde begnadigt, Baby! Danke Präsident Trump!“

Der als sogenannter QAnon-Schamane bekannt gewordene Jacob Chansley schrieb im Onlinedienst X: „Ich wurde begnadigt, Baby! Danke Präsident Trump!“ Die Bilder von Chansley, wie er mit nacktem Oberkörper, einer Büffelhornmütze und einem Speer mit US-Flagge durch den Kongress marschierte, gingen damals um die Welt. Er wurde bereits 2023 wegen psychischer Probleme aus der Haft entlassen.

Zu den Begnadigten gehört auch der 37-jährige David Dempsey aus Kalifornien. Er war von der Staatsanwaltschaft als einer der „gewalttätigsten“ Aufrührer bezeichnet worden. Dempsey habe seine „Hände, Füße, Fahnenstangen, Krücken, Pfefferspray, zerbrochene Möbelstücke und alles andere, was er in die Finger bekam, als Waffen gegen die Polizei“ benutzt, hatte die Staatsanwaltschaft seinerzeit erklärt. Dempsey wurde zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Zahlreiche Proud-Boys-Anhänger feierten die Begnadigungen im Onlinedienst Telegram und verbanden dies mit Aufrufen, sich der Miliz anzuschließen und bei der von Trump geplanten Massenabschiebung von Migranten zu helfen.

Eine seiner ersten Amtshandlungen: Donald Trump unterschrieb ein Dekret zur Begnadigung der Kapitol-Stürmer.
Eine seiner ersten Amtshandlungen: Donald Trump unterschrieb ein Dekret zur Begnadigung der Kapitol-Stürmer.Evan Vucci/AP

Die Proud Boys sind eine 2016 gegründete neofaschistische Gruppierung, die politische Gewalt gegen linke Politiker und Aktivisten glorifiziert. Bekannt wurde die Gruppe durch Trumps Ausspruch „Proud boys, stand back and stand by“ („Haltet Euch zurück und haltet Euch bereit“).

Trump hatte seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2020 gegen Joe Biden nicht akzeptiert, danach Chaos gestiftet und die Falschbehauptung vom Wahlbetrug verbreitet. In einer Rede am 6. Januar 2021 vor zehntausenden Anhängern behauptete er, um den Wahlsieg betrogen worden zu sein, daher sollten seine Anhänger nun „wie der Teufel kämpfen“.

Kapitol-Sturm: Fünf Menschen kamen ums Leben

Schließlich stürmten die aufgestachelten Unterstützer das Kapitol, um dort die Zertifizierung von Bidens Wahlsieg zu verhindern. Büros wurden verwüstet, zahlreiche Abgeordnete versteckten sich in Todesangst vor den Schlägern, es gab allein 140 verletzte Polizisten. Als Folge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben. Die Attacke auf das Herz der US-Demokratie erschütterte das Land und wirkt bis heute nach.

Wegen seiner Rolle bei der Erstürmung des Kapitols wurde Trump im Jahr 2023 unter anderem wegen Verschwörung zur Behinderung einer offiziellen Amtshandlung sowie zum Betrug an den Vereinigten Staaten angeklagt. Aber nach Trumps Wahlsieg am 5. November sah sich der Sonderermittler Jack Smith gezwungen, das Strafverfahren einzustellen.

Zur Begründung verwies Smith darauf, dass die US-Bundesjustiz grundsätzlich nicht gegen amtierende Präsidenten strafrechtlich vorgehe. In seinem später vorgelegten Bericht erklärte er, allein sein Wahlsieg habe Trump vor einer Verurteilung bewahrt. ■