Nach AfD-Eklat

Demos gegen rechts im Osten: „1000x schwerer als im Westen!“

Nach dem Eklat um die rechten Abschiebepläne für Millionen Menschen aus Deutschland, formiert sich auch in Ostdeutschland immer mehr Widerspruch gegen Rechtsextremismus.

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Mindestens 1500 Menschen versammelten sich am Samstag in Bautzen, um dort gegen Rechtsextremismus und Abschiebe-Pläne rechter Parteien zu demonstrieren.
Mindestens 1500 Menschen versammelten sich am Samstag in Bautzen, um dort gegen Rechtsextremismus und Abschiebe-Pläne rechter Parteien zu demonstrieren.zVg: Christian Schäfer

Während bei Demonstrationen in den großen Städten im Westen Deutschlands zum Teil Hunderttausende Demonstranten gegen Rechtsextreme auf die Straßen gehen, sind es in manchen ostdeutschen Kleinstädten nur ein paar Hundert bis Tausend. In Bautzen zeigte sich das auch bei der dortigen Demo. Dennoch ist die Freude über den sichtbaren Protest mit mehr als 1500 Teilnehmern dort riesig.

Freude über Anti-Rechts-Demos im Osten

„Bautzen - mein Lichtblick heute!“ - heißt es von Danielle Zapp, einer Nutzerin der Kurznachrichtenplattform X aus Düsseldorf. Denn auch wenn in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen mehr als 100.000 Protestierende am Holocaust-Gedenktag gegen Rechtsextremismus auf die Straße gingen, so erfordert das Protestieren in Bautzen unter Polizeischutz deutlich mehr Courage. „In Bautzen gegen rechts auf die Straße gehen ist das mutigste, was das Volk dieser Tage tun kann“, schrieb deshalb auch ein weiterer Nutzer.

Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) lobte die Demonstranten in Bautzen im Namen von Polizei und Verfassungsschutz. „Ich darf ihnen stellvertretend für die sagen: Zehntausende, Hunderttausende Verfassungsschützer auf den Straßen, die denen zur Zeit helfen – so wie sie. Das gab es noch nie. Das ist Verfassungsschutz, wie wir ihn uns nicht hätten vorstellen können“, so Schuster bei der Kundgebung.

Unternehmer sorgt sich um Gewinnung von Fachkräften

Auch der IT-Unternehmer Steffen Roschek sprach sich gegen Fremdenfeindlichkeit aus und erinnerte daran, dass in den nächsten Jahren sieben Millionen Menschen in Rente gehen, die niemand in den Unternehmen bisher ersetzen könne. Es brauche daher Zuzug nach Sachsen auch aus dem Ausland. „Wenn wir hier solche schrecklichen Parolen raushauen, dann werden diese Menschen einfach woanders hingehen“, so der Unternehmer.

Auch der Vorsitzende der Sorben-Organisation Domowina, Dawid Statnik, macht sich Sorgen. „Als Sorbe muss man fragen: Gehören wir noch dazu?“, so der Vertreter der in der Lausitz beheimateten slawischen Volksgruppe. Immerhin kam sofort ein Zuruf von den Teilnehmern, der mit starkem Beifall bedacht wurde: „Ihr gehört dazu!“.

Demonstrationen in vielen ostdeutschen Kleinstädten

Neben Bautzen versammelten sich auch in vielen weiteren ostdeutschen Klein- und Großstädten Menschen gegen den erstarkenden Rechtsextremismus. Neben Dresden, Leipzig und Chemnitz, demonstrierten unter anderem auch in Frankfurt (Oder), Sangerhausen, Heiligenstadt, Döbeln, Freital, Heidenau, Meißen, Torgau und Zwickau und im Erzgebirge Menschen bei Protestmärschen und Gedenkveranstaltungen.

Bautzen, das durch rechte Umtriebe, hohe Wahlergebnisse für die AfD und Brände in geplanten Asylunterkünften in die Schlagzeilen geriet, stach dennoch heraus. Denn wie es X-Nutzer Heiner Toenne aus Reichshof in Nordrhein-Westfalen ausdrückt: „Und ihr habt es 1000x schwerer als wir im Westen!“.

Rechte Chaoten wollten Demo stören

Wie recht er hatte, mussten die Demonstranten am Ende der Kundgebung wieder einmal erfahren. Vermummte Neonazis hatten sich zuvor in Seitenstraßen in Bautzen zusammengerottet, wie unter anderem ein Video der Foto- Videodokumentationsgruppe vue.critique zeigt.

Einige der Rechten liefen immer mal wieder durch die Kundgebung, spähten laut Augenzeugenberichten die Lage aus. „Eine Gruppe Nazis stürmte von der Reichenstraße auf den Marktplatz, kurz darauf Jagdszenen mit zu wenigen Polizisten, die mit schwerer Ausrüstung und Unterzahl keine Chance hatten“, beschreibt ein Augenzeuge die Szenen. Laut anderen konnten einige Demo-Teilnehmer nur unter Polizeischutz abreisen.

Lokale Aktivisten fühlen sich in Engagement bestärkt

Trotz der Jagdszenen überwog bei vielen Teilnehmern dennoch die Freude. Aus vielen Posts ist zu lesen, dass die örtlichen Aktivisten und Unterstützer wieder Mut im Kampf gegen die Rechten in der Region geschöpft haben. „Das ist für viele, und es waren definitiv Menschen dabei, die bisher nicht auf Demos gingen, eine Ermutigung und ein Hoffnungsschimmer“, bestätigte Birgit Kieschnick dem Berliner KURIER.

Sie engagiert sich seit vielen Jahren in Bautzen gegen die rechten Umtriebe. „Es gibt Menschen, die verlassen aktuell die Stadt, weil sie die [rechten] Montagsdemos nicht mehr ertragen. Es herrscht viel Angst. Mich freut das Geschehen natürlich, weil ich sehr lange sehr allein war. Das ist hoffentlich vorbei.“