Am 20. Juli 2024 ging am Flughafen Leipzig ein Versandpaket in Flammen auf. Nur, weil sich der Karton bereits am Boden im DHL-Zentrum entzündete, ging der Brandsatz im Paket nicht an Bord eines Flugzeugs hoch. Ende August warnte das Bundeskriminalamt vor Brandsätzen in Postpaketen, deutsche Sicherheitsbehörden waren sich sicher, dass Putins Russland hinter dem Anschlag steckt. Jetzt bestätigen Recherchen, dass die Spur der internationalen Operation zum russischen Militärgeheimdienst GRU führt.
Nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung gehen westliche Nachrichtendienste davon aus, dass mehrere ranghohe GRU-Angehörige in Verbindung mit den Sabotageplänen gebracht werden können. Dazu soll unter anderem ein GRU-Oberst gehören, der seit Dezember 2024 von der Europäischen Union sanktioniert ist. In der veröffentlichten Sanktionsbegründung heißt es, der GRU-Oberst habe über soziale Medien „Agenten für Sabotageakte in der Union“ rekrutiert.
Brandanschlag in Leipzig: Nur Zufall verhinderte Katastrophe
Im Juli des vergangenen Jahres ging nicht nur am Flughäfen Leipzig/Halle ein Versandpaket in Flammen auf. Auch in Birmingham sowie in einem Warschauer Vorort entzündeten sich Versandpakete. Ermittlungen der Polizei zeigen, dass hier nicht etwa instabile Akkus die Brandursache waren. Die Brandsätze sollen in Massagekissen versteckt gewesen sein, die sich zusammen mit Kosmetika und Sex-Spielzeug in den Paketen befanden.
WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung zeigen jetzt erstmals Fotos des Leipziger Brandsatzes und können den genauen Ablauf der mutmaßlich russischen Geheimdienstoperation rekonstruieren. Die Bilder zeigen das Ausmaß des Brandes und belegen, wie gefährlich es gewesen wäre, wenn das Feuer im Frachtraum während des Fluges ausgebrochen wäre. Sicherheitsbehörden zufolge sei es nur ein glücklicher Zufall gewesen, dass die Pakete nicht während der Flüge Feuer gefangen hätten.

Tageschau.de berichtet, dass ein Mann am Flughafen Vilnius die ganz normal aussehenden Pakete zur dortigen DHL-Paketstation gebracht hätte. Am Verkaufstresen musste er die Fracht öffnen und vorzeigen. Doch die Massagekissen, Kosmetiktuben und ein Sexspielzeug darin erweckten keinen Verdacht, heißt es. Auch beim Routine-Scan: kein Alarm, niemand entdeckte die Brandsätze.
Fest steht inzwischen, dass die Brandsätze auf dem schnell entflammbaren Magnesium basierten. Zwei Pakete sollten von Litauen aus nach Polen verschickt werden, zwei weitere nach Großbritannien gehen. Eines der Pakete mit Ziel London ging beim Umladen in Leipzig in Flammen auf.
In Litauen, Polen, Bosnien-Herzegowina und Großbritannien wurden bereits Verdächtige festgenommen. Es handelt sich bei den mutmaßlichen Tätern vor allem um sogenannte Wegwerf-Agenten, in Sicherheitskreisen „Low-Level-Agenten“ genannt. Damit sind keine offiziellen Mitarbeiter von Nachrichtendiensten gemeint, sondern Personen, die etwa über Messengerdienste wie Telegram angeworben werden, ohne die genauen Hintergründe der gesamten Operation zu kennen.
Europäische Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass hinter der Planung der Aktion ein Netzwerk von rund zehn Personen steckt, darunter hochrangige GRU-Mitarbeiter. Eine Spur führte die Ermittler auch in eine ostdeutsche Großstadt. Dort wurde im Februar die Wohnung eines Ukrainers durchsucht. Er soll mit einem weiteren Mann Kontakt gehabt haben, der die Pakete mit den Brandsätzen aufgegeben haben soll. Der Ukrainer in Ostdeutschland gilt nicht als Beschuldigter.
Russische Botschaft spricht von „Verschwörungstheorien“
James Appathurai, der bei der Nato unter anderem für Strategien zur Abwehr hybrider Angriffe zuständig ist, erklärt: „Ein Flugzeug kann Feuer fangen und alle an Bord töten. Es kann auf einen Wohnort fallen und die Menschen, die dort leben, töten. Und genau aus diesen Gründen halten wir das für eine Eskalation.“ Die russische Botschaft in Berlin aber bestreitet laut tagesschau.de, dass Moskau hinter den Vorfällen steckt und spricht von „Paranoia“ und „Verschwörungstheorien“.
In der ARD-Story „Sabotage – Deutschland in Putins Visier“ läuft heute (23. April) um 22.50 Uhr im Ersten. ■