Dramatische Evakuierung

Afghanistan: Bundeswehr erhält Mandat für Einsatz mit militärischer Gewalt

Zehntausende Menschen in Afghanistan auf der Flucht. Deutschland bereitet sich auf die Aufnahme von Flüchtlingen vor.

Teilen
Deutsche Bundeswehr-Soldaten in Taschkent vor ihrem Abflug nach Kabul.
Deutsche Bundeswehr-Soldaten in Taschkent vor ihrem Abflug nach Kabul.AFP

Die Lage in Afghanistan ist unverändert dramatisch. Zehntausende sind auf der Flucht vor den Taliban, versuchen das Land zu verlassen. Die neuen Herrscher werben um Vertrauen im Ausland, die Miliz erklärt den Krieg für beendet, erließ eine Generalamnestie und stellt die baldige Bildung einer neuen Regierung in Kabul in Aussicht. Bei den westlichen Staaten stießen die Ankündigungen allerdings auf Skepsis.

Nach dem Chaos-Start nimmt der Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan endlich Fahrt auf. Militärmaschinen vom Typ A400M pendeln zwischen Kabul und der usbekischen Hauptstadt Taschkent. Sie flogen bis Mittwochabend nach Angaben aus Militärkreisen 673 Menschen aus. Die Bundesregierung brachte zugleich die rechtliche Grundlage für den Einsatz auf den Weg, bis zu 600 Soldaten sollen bis spätestens Ende September im Einsatz sein. Für die Operation werden etwa 40 Millionen Euro veranschlagt.

Mandat für Einsatz militärischer Gewalt

Es handelt sich um ein so genanntes robustes Mandat, dass auch den Einsatz militärischer Gewalt erlaubt, „insbesondere zum Schutz der zu evakuierenden Personen und eigener Kräfte, sowie im Rahmen der Nothilfe“.

Zum Einsatz kommen für Evakuierungen ausgebildete Fallschirmjäger, die Eliteeinheit KSK, aber auch Feldjäger, Sanitäter und die Flugzeugbesatzungen der Luftwaffe. Der Einsatz gilt als bisher größte Evakuierungsmission der Bundeswehr.

Taliban-Kämpfer in Kabul. Die neuen Herrscher versicherten, dass die Sicherheit von Botschaften und der Stadt Kabul gewährleistet sei.
Taliban-Kämpfer in Kabul. Die neuen Herrscher versicherten, dass die Sicherheit von Botschaften und der Stadt Kabul gewährleistet sei.dpa

Das Patenschaftsnetzwerk insbesondere früher in Afghanistan eingesetzter Bundeswehrsoldaten sieht die dort zurückgelassenen einheimischen Ortskräfte in Kabul in der Falle. „Die Menschen sind in Todesangst und hoffen auf eine Rettung, die ja nun immer schwieriger wird“, sagte der Koordinator des Netzwerks, Marcus Grotian.

Kämpfer der radikalislamischen Taliban gingen von Ort zu Ort und suchten nach den früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausländischer Streitkräfte und Institutionen, sagte Grotian. Diese versuchten, in der Hauptstadt Kabul unterzutauchen. Sie hofften weiter auf Rettung, doch die Lage werde immer schwieriger.

Taliban suchen nach Verrätern

Das Patenschaftsnetzwerk hatte in Kabul für bedrohte Ortskräfte aus Spendengeldern mehrere „sichere Häuser“ eingerichtet. „Die mussten wir auflösen, nachdem Kabul nun in die Hand der Taliban gefallen ist“, sagte Grotian. Nur zwei Stunden später „standen Taliban vor der Tür“, die dort nach Ortskräften gesucht hätten, die von ihnen als Verräter betrachtet würden.

Während viele Menschen in Afghanistan  um ihr Leben fürchten, beginnt in den westlichen Staaten die Diskussion um die Unterbringung von Flüchtlingen. Allein Österreich lehnt dabei eine Aufnahme ab. Die britische Regierung ist mit ihrem Plan zur Aufnahme von 20.000 Menschen in den kommenden Jahren auch in der eigenen Partei in die Kritik geraten.

Deutschland will Flüchtlinge aufnehmen

In Deutschland haben die Innenminister der Länder haben vom Bund ein Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan-Flüchtlinge wie Ortskräfte, Journalisten oder Menschenrechtsaktivisten gefordert. „Es geht darum, schnellstens die deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus Afghanistan zu evakuieren. Und es geht darum, denen zu helfen, die uns geholfen haben und die jetzt bedroht sind“ , sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz Thomas Strobl (CDU).

Nach einer Umfrage der dpa will allein Nordrhein-Westfalen 1800 Menschen aufnehmen, Baden-Württemberg rechnet damit, bis zu 1100 Ortskräfte und Verwandte aufzunehmen. Niedersachsen stellt zunächst mindestens 400 Unterbringungsplätze bereit, Schleswig-Holstein 300, Hamburg 200. Auch Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland zeigten sich grundsätzlich offen für eine Aufnahme, nannten aber noch keine konkreten Zahlen.