Er ist ein Ossi, der zur Weihnachtszeit in aller Munde ist: der Christstollen. Aus Sachsen kommt er ursprünglich, und ist gerade für die Dresdner eine wahre Quelle des Lokalpatriotismus. Doch niemand ist so sehr mit der Geschichte des Stollens verbunden wie die Conditorei Kreutzkamm. Aufs Jahr genau seit 200 Jahren werden hier Stollen und Co. gebacken – länger als in jeder anderen Bäckerei in Dresden. Der Berliner KURIER hat sich mit Elisabeth Kreutzkamm-Aumüller zusammengesetzt, deren Familiengeschichte Stollen-Geschichte und Ost-Geschichte ist – eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte.
Den Stollen gibt es schon seit dem 15. Jahrhundert, aber so richtig lecker wurde er wahrscheinlich erst im 18. Jahrhundert. Musste man vorher nämlich Zucker aus Übersee transportieren, fand man 1747 heraus, dass man ihn auch aus Runkelrüben gewinnen konnte – es folgte die erste Rübenzuckerfabrik und 1817 die erste Zuckersiederei in Dresden: die Stadt wurde zum Bäcker-Mekka, aber auch zum Kultur-Mekka. Goethe, Schiller, Wagner – alle wollten sie dorthin. Und aßen Dresdner Christstollen.
Der Christstollen wird zum Exportschlager
Dort zieht es auch Elisabeth Kreutzkamm-Aumüllers Ur-Ur-Großvater Heinrich Jeremias Kreutzkamm 1825 hin, um seine eigene Konditorei zu gründen. Das Geschäft boomt (nach einigen Anlaufschwierigkeiten) – ab Ende des 19. Jahrhunderts geht der Versand in die ganze Welt: „Wir waren so ein bisschen das Amazon des 19. Jahrhunderts – da kam dann der Klempner von nebendran und hat jeden Abend den Stollen in Blechkisten verlötet und dann haben die Kinder auf einem Atlas geguckt, wo dieser Stollen jetzt hinreist“, erzählt Kreutzkamm-Aumüller. Vor allem Deutsche in deutschen Kolonien lassen sich die Ost-Spezialität zuschicken. Mit dem Bau von Eisenbahnen ging das viel einfacher als vorher.

Auch Berlin freut sich über Kreutzkamms Christstollen. 1907 öffnete das KaDeWe – genaue Belege habe man dafür zwar nicht, aber Elisabeth Kreutzkamm-Aumüller meint, sie hätten das Kaufhaus schon damals beliefert.
Seit dem Mauerbau ist auch der Stollen im Exil
Das Stollen-Geschäft läuft gut – bis zur Zerstörung Dresdens 1945. Kreutzkamm-Aumüller fasst zusammen: „Bis dahin war Dresden ein Schmelztiegel an Kunst, Kultur und allem drum und dran. Dann sind wir 1945 komplett ausgebombt worden.“ Kreutzkamms müssen in den Westen fliehen, fangen in München neu an. Doch die Geschichte des Stollens geht auch in der DDR weiter.

Obwohl die Zutaten in der DDR schwer aufzutreiben waren, musste der Appetit auf Stollen befriedigt werden. Das war nicht so leicht: „Stollen war zu DDR-Zeiten ein Exportartikel, und es war für die Handwerksbäckereien hier in Dresden und im Umland unglaublich schwierig, die Zutaten für Stollen zu bekommen“, so Kreutzkamm-Aumüller. Die Lösung? Hausbäckereien. „Hausbäckereien funktionierten so, dass der Bürger sich aus dem Westen die Zutaten für Stollen hat schicken lassen und dann damit zu seinem Bäcker gegangen ist, der mit Schweineschmalz oder Butter dann den Stollen gemacht hat.“



