Tradition „Klaasohm“

Nikolausbrauch: Werden auf Borkum Frauen zum Spaß verprügelt?

Auf der Nordseeinsel Borkum wird im Dezember „Klaasohm“ gefeiert. Eine Reportage zeigt die verstörende Jagd von verkleideten Männern nach Frauen.

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Offizielle Aufnahmen gibt es von „Klaasohm“ auf Borkum nur wenige, da Pressevertreter nicht gern gesehen sind.
Offizielle Aufnahmen gibt es von „Klaasohm“ auf Borkum nur wenige, da Pressevertreter nicht gern gesehen sind.Reinhold Grigoleit/dpa

Die Bilder erinnern an eine längst vergangene Zeit, doch „Klaasohm“ wird bis heute gefeiert. In der Nacht zum 6. Dezember werden auf der Nordseeinsel Borkum Frauen Opfer dieses umstrittenen Nikolausbrauchs. Ein Bericht des ARD-Magazins „Panorama“ und eine Veröffentlichung des NDR-Reportageformats „STRG_F“ haben diese Tradition ins Rampenlicht gerückt. Anonym berichten Frauen in den Beiträgen von aggressiven Übergriffen während des Festes.

Das ARD-Team filmte im vergangenen Jahr, wie sogenannte „Fänger“ Frauen festhielten und die als Klaasohms verkleideten Männer ihnen mit Kuhhörnern auf den Hintern schlugen. Eine Nutzerin kommentierte das Geschehen entsetzt: „Was für eine schreckliche Tradition. Wie tief die Unterdrückung von Frauen noch verankert ist.“

Auf Borkum gibt es wenig öffentliche Kritik an „Klaasohm“

Auch die niedersächsische Landesregierung äußerte sich kritisch zu den Berichten. Christine Arbogast, Staatssekretärin im Sozialministerium, betonte die Bedeutung von Brauchtum und Traditionen, forderte jedoch gleichzeitig ein Ende dort, wo sich Frauen unsicher fühlen: „Wer sich den Hintern mit einem Horn versohlen lassen möchte, darf das tun. Wer das nicht möchte, muss aber auch respektiert werden.“ Sie fügte hinzu, dass an keinem Tag im Jahr Frauen aus Angst vor Hieben zu Hause bleiben dürften.

Auf Borkum selbst sprechen nur wenige öffentlich über die problematische Seite des Brauchs. Der Veranstalterverein, „Borkumer Jungens von 1830“, soll nach NDR-Recherchen dazu auffordern, über den Brauch zu schweigen. In einer Stellungnahme räumte der Verein ein, dass das Schlagen mit Kuhhörnern Teil des Brauchs gewesen sei – jedoch distanziere man sich ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldige sich für vergangene Handlungen. Künftig wolle man diesen Teil der Tradition vollständig abschaffen.

Deshalb feiert man auf Borkum „Klaasohm“

Der Nikolausbrauch existiert seit Generationen auf Borkum. Laut dem Regionalverband Ostfriesische Landschaft verkleiden sich dabei junge Männer als Klaasohms – angelehnt an das niederländische Wort für Nikolaus – mit Masken, Schafsfellen und Vogelfedern. Begleitet werden sie von einem als Frau verkleideten Mann namens Wievke. Alle sind mit Kuhhörnern ausgestattet.

Zunächst kommt es in einer Halle zu einem rituellen Kampf unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Anschließend ziehen die Klaasohms lautstark durch die Insel und verprügeln junge Frauen mit Kuhhörnern, während Kinder Honigkuchengebäck erhalten.

Der Brauch geht angeblich auf die Zeit der Walfänger zurück, die am Jahresende zurückkehrten und damit ihre Dominanz wiederherstellen wollten.

Borkums Bürgermeister, Jürgen Akkermann, kritisierte die Berichterstattung über den Klaasohm-Brauch.
Borkums Bürgermeister, Jürgen Akkermann, kritisierte die Berichterstattung über den Klaasohm-Brauch.Sina Schuldt/dpa

Bürgermeister von Borkum kritisiert die Berichterstattung

Bürgermeister Jürgen Akkermann kritisierte den Bericht vom NDR als „tendenziös und unseriös“. Er betonte, dass heutzutage alle Geschlechter gemeinsam feiern würden und positive Stimmen im Bericht nicht berücksichtigt worden seien.

Die Polizeiinspektion Leer/Emden kündigte an, jegliche Form der Gewaltanwendung konsequent zu verfolgen: „Sofern wir als Polizei Kenntnis von etwaigen Übergriffen erlangen, werden diese durch uns konsequent verfolgt.“ Die aktuellen Medienberichte würden bei der polizeilichen Lagebeurteilung berücksichtigt. ■