Ein maroder Tanker mit fast 100.000 Tonnen Rohöl an Bord treibt manövrierunfähig nördlich der Insel Rügen in der Ostsee. Diese Meldung schreckte das deutsche Havariekommando auf. Aufmerksam wurden die Experten durch Live-Daten des Schifftrackingdienstes „Marinetraffic“.
Betroffen: das Schiff „Eventin“, Teil der berüchtigten russischen Schattenflotte. Es ist laut Havariekommando seit dem 6. Januar auf dem Weg vom russischen Hafen Ust-Luga nach Port Said in Ägypten. Doch der Riese unter der Flagge Panamas geriet ins Schlingern – ausgerechnet mitten in einem Gebiet, in dem ein Sturm droht.
Gefahr für die Ostsee – Rettungseinsatz in vollem Gange
Der 274 Meter lange und 48 Meter breite Tanker hat rund 99.000 Tonnen Öl geladen. Sollte der Tanker leckschlagen, droht eine verheerende Umweltkatastrophe für die Ostsee. Das Havariekommando mobilisierte ein Großaufgebot: Im Einsatz waren das Mehrzweckschiff „Arkona“, der Notschlepper „Bremen Fighter“, der Schlepper „Bremen“ sowie ein speziell ausgebildetes Team, das sich per Seil auf den Tanker abseilen kann. Auch ein Sensorflugzeug sammelte aus der Luft weitere Informationen über die Lage. Ihr Ziel: den Tanker schnellstmöglich in Sicherheit schleppen – entweder in den Hafen von Rostock oder nach Dänemark.
24 Besatzungsmitglieder sollen laut Angaben des Havariekommandos auf dem Tanker nördlich der Insel Rügen festsitzen. Es habe einen Maschinenausfall gegeben. Weshalb es zu dem „Blackout“ kam, sei noch nicht bekannt. Das Schiff sei aber dicht, für die Umwelt bestehe vorerst keine Gefahr, sagte eine Sprecherin des Havariekommandos. Um 15.30 Uhr eine erste Erleichterung. Die Rettungskräfte meldeten: Es wurde erfolgreich eine Schleppverbindung zur „Eventin“ hergestellt. Wohin es geht, ist noch unklar.

Rostige Gefahr: Putins Schattenflotte in der Kritik
Die „Eventin“ ist kein gewöhnlicher Tanker. Das 18 Jahre alte Schiff gehört zu einer Flotte von mehr als 100 altersschwachen Frachtschiffen, die unter wechselnden Flaggen und mit zweifelhaftem Versicherungsstatus unterwegs sind. Bekannt als „russische Schattenflotte“, dient sie Wladimir Putin dazu, westliche Sanktionen gegen russische Ölexporte zu umgehen. Die Schiffe transportieren Öl in alle Welt, insbesondere nach Indien, das inzwischen zu Russlands größtem Abnehmer für Rohöl geworden ist.
Experten warnen schon länger, dass diese Tanker nicht nur marode und schlecht gewartet sind, sondern auch eine akute Gefahr für die Meeresumwelt darstellen. Die Eigentumsverhältnisse sind oft undurchsichtig, und die Besatzungen stehen unter Druck, kostspielige Sicherheits- und Wartungsmaßnahmen zu umgehen.
„Eventin“ – eine tickende Zeitbombe?
Besonders brisant: Die „Eventin“ wurde laut öffentlich einsehbarer Datenbanken bereits mehrfach in den indischen Hafen Visakhapatnam geleitet – ein Land, das sich den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen hat. Wie andere Schiffe der Schattenflotte wechselt die „Eventin“ regelmäßig Flaggenstaaten und Namen, um unentdeckt zu bleiben.
Der aktuelle Fall wirft ein Schlaglicht auf die Gefahren, die von dieser Flotte ausgehen. Ein Tanker mit zweifelhafter Wartung und so gewaltigen Mengen Öl könnte bei einer Havarie eine der schlimmsten Umweltkatastrophen in der Geschichte der Ostsee verursachen.

Wetter verschärft die Lage
Laut dem NDR-Wetterexperten Stefan Kreibohm hatten drohende Stürme die Gefahr verschärft. „Die Bedingungen auf der Ostsee werden zunehmend rauer, was die Bergungsarbeiten erheblich erschweren könnte“, sagte Kreibohm. Desahlb war es wichtig, dass die Rettungsteams so schnell zur Stelle waren, um eine Umweltkatastrophe zu verhindern.
Die Havarie der „Eventin“ ist nicht nur ein Notfall, sondern auch ein Warnsignal. Die russische Schattenflotte zeigt, wie skrupellos westliche Sanktionen unterlaufen werden – auf Kosten der Umwelt und der Sicherheit. Politiker und Experten fordern dringend strengere internationale Kontrollen, um solche Vorfälle künftig zu verhindern. ■