So viele Jahre

Männer im Osten leben kürzer als fast überall im Westen

Zwischen Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt gibt es einen deutlichen Unterschied bei der Lebenserwartung. Eine Grafik zeigt die genauen Zahlen.

Author - Berliner KURIER
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Auf welches hohe Alter sich Männer statistisch einstellen können, variiert nach Bundesländern.
Auf welches hohe Alter sich Männer statistisch einstellen können, variiert nach Bundesländern.Imagebroker/imago

Ein Mann in Sachsen-Anhalt kann – rein statistisch – davon ausgehen, gut 75 Jahre alt zu werden. In Baden-Württemberg dagegen  kann er auf 80 Jahre hoffen. Kaum anderswo in Deutschland ist der Unterschied bei der Lebenserwartung so groß wie zwischen dem Bundesland im Osten und dem in Südwesten. Woran liegt das?

Eine parlamentarische Anfrage der Linken im Bundestag zielte auf die Lebenserwartung. Laut der Antwort beträgt sie bei Geburt von Männern in Sachsen-Anhalt exakt 75,49 Jahre – das ist der bundesweit niedrigste Wert. In Baden-Württemberg seien es dagegen 79,64 Jahre. Bei Frauen in den beiden Bundesländern war der Unterschied mit zwei Jahren nicht so groß.

Was bedeutet Lebenserwartung konkret?

Wichtig zu wissen: Die „Lebenserwartung bei Geburt“ fasst die Sterblichkeit über alle Altersjahre hinweg in einem Wert zusammen. Es handelt sich – trotz des Namens – nicht um eine Prognose für heute Neugeborene. Statistiken aus den vergangenen Jahren belegen die Kluft zwischen Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Bundesweit betrug die Lebenserwartung bei Geburt laut Statistischem Bundesamt 2024 für Männer im Durchschnitt 78,9 Jahre und für Frauen 83,5 Jahre.

Grafik: Lebenserwartung von Männern

Lebenserwartung von Männern bei Geburt nach Bundesland, nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes
Lebenserwartung von Männern bei Geburt nach Bundesland, nach Zahlen des Statistischen BundesamtesGrafik: dpa/Statistisches Bundesamt

Frauen holten bei Lebenserwartung auf, Männer nicht

Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) gab es in den beiden Bundesländern nach der deutschen Wiedervereinigung eine Phase starker Annäherung bei der Lebenserwartung von Frauen, die Anfang der 2000er-Jahre endete. „Bei den Männern scheinen die Trends zwischen diesen beiden Bundesländern auseinanderzugehen. Es spricht also nichts dafür, dass sich diese beiden Regionen in naher Zukunft einander annähern werden“, sagte Pavel Grigoriev, Leiter der Forschungsgruppe Mortalität beim BiB.

Warum werden Männer in Sachsen-Anhalt nicht so alt?

Die Gründe dafür, wie alt Menschen in bestimmten Regionen werden können, sind vielfältig. Das Bundesinstitut verweist zum Beispiel auf die Zusammensetzung der Bevölkerung mit Blick auf Bildung, kulturelle Prägung, Altersstruktur. Aber auch Faktoren wie der ökonomische Entwicklungsstand, das Gesundheitswesen und ökologische Bedingungen spielten eine Rolle.

Der Vergleich des Bruttoinlandsprodukts, der Gesamtwert aller produzierten Waren und Dienstleistungen, zeigt zum Beispiel: In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 650,2 Milliarden Euro erstellt, in Sachsen-Anhalt waren es lediglich 79,4 Milliarden Euro.

Aber auch das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung wie der Umgang mit Rauchen, Alkohol, Ernährung und Bewegung spielten eine wichtige Rolle, sagte Grigoriev. „Tatsächlich war Baden-Württemberg die Region mit einer der niedrigsten durch Rauchen verursachten Sterblichkeit in Deutschland.“

„Menschen in ärmeren Regionen haben schlechtere Karten“

Die aus Sachsen-Anhalt stammende Linke-Bundestagsabgeordnete Janina Böttger kritisiert: „Während wohlhabende Menschen in Baden-Württemberg oder Bayern oft viele Jahre länger leben, haben Menschen in ärmeren Regionen schlechtere Karten – gesundheitlich, sozial und wirtschaftlich.“ Diese Ungleichheit sei messbar – und politisch nicht hinnehmbar.

Böttger sagte, es sei Aufgabe des Staates, insbesondere in benachteiligten Regionen für einen sozialen Ausgleich zu sorgen. „Der Wohnort darf nicht über Lebenserwartung und Lebenschancen entscheiden.“

Dem Experten Grigoriev zufolge bestehen regionale Unterschiede in der Sterblichkeit im Allgemeinen in allen Ländern. „Im internationalen Vergleich sind die regionalen Unterschiede in Deutschland eher gering.“ Dennoch seien sie beträchtlich – besonders, wenn man die neuen und die alten Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg vergleiche. (Christian Thiele, dpa)