Landwirtin Juliane von der Ohe trägt einen Chip in der Hand, mit dem sie ihre Haustür öffnet.
Landwirtin Juliane von der Ohe trägt einen Chip in der Hand, mit dem sie ihre Haustür öffnet. dpa/Philipp Schulze

Es klingt wie eine Szene aus einem Science Fiction-Film, doch sie spielt sich im Jahr 2021 auf der Erde ab. Protagonistin Juliane von der Ohe ist keine Wissenschaftlerin oder Kommandantin auf einem Sternenschiff, sondern Landwirtin und CDU-Politikerin – und sie hat zur Erleichterung ihres Alltags Implantate unter der Haut. Mit einem reiskorngroßen Chip im Handgelenk öffnet die 60 Jahre alte Bäuerin aus Haarstorf bei Uelzen die Haustür, mit der anderen Hand entsperrt sie ihren Computer und mit einem dritten Datenträger bezahlt sie im Supermarkt.

Für ihren Chip bekam von der Ohe Beschimpfungen und Heiratsanträge

„Ein Landwirt liebt seine Technik und ich kenne das von meinen Haustieren. Ich habe noch nie erlebt, dass eins gestorben ist, deshalb habe ich überhaupt keine Berührungsängste“, sagt von der Ohe. Übelste Beschimpfungen, aber auch Heiratsanträge habe sie erhalten, nachdem bekannt wurde, dass sie so offen mit der neuen Technologie umgeht.

Stolz berichtet die Pionierin von einem Parteitag, als sie Kanzlerin Angela Merkel ihre neuesten Errungenschaften zeigte, und hat gleich ein Foto davon parat. Zwei reiskorngroße Implantate liegen knapp unter der Haut jeder Hand zwischen Daumen und Zeigefinger – einer für die Haustür, einer für den Computer – ein größeres Plättchen zum Bezahlen im Supermarkt schlummert im Handgelenk. Von der Ohe muss keine Schlüssel mit sich führen, Passwörter merken schon gar nicht und der Katzentrog öffnet sich auch automatisch, wenn sie ihre Hand dranhält.

Angst um ihre Daten hat sie nicht und auch ihr Konto könne man nicht plündern, sagt von der Ohe über die passive Technik ohne Batterie in ihrem Körper. Vorsichtshalber lädt sie immer nur so viel Geld auf das Prepaid-System, wie sie auch im Portemonnaie bei sich tragen würde. Kürzlich fiel ihr etwas auf den Bezahlchip, der nun erneuert werden muss. Wahrscheinlich wieder bei Patrick Kramer, dem Geschäftsführer der Firma Digiwell in Hamburg, die das Produkt vertreibt und auch einsetzt.

300 Euro investierte von der Ohe bereits in ihre Chips

Etwa 300 Euro investierte von der Ohe bisher, ihre Tochter Viktoria Haufe trägt ihre Visitenkarte inzwischen unter der Haut. Wenn die 21-Jährige jemanden kennenlernt, kann sie die Hand dicht ans fremde Smartphone halten, das die Daten dann übernimmt. „Wir chippen seit 30 Jahren Haustiere“, betont Kramer, der als Vorreiter der Branche in Deutschland gilt und mit einem Unternehmen in den USA kooperiert. Es gebe kein technisches Produkt, mit dem man mehr Erfahrungen im menschlichen Körper habe.

Hersteller: Chips können Leben retten

Er erzählt von Implantaten für Menschen mit Handicap, wie einem ohne Arme geborenen Mädchen, das nun mit der neuen Hilfe im Fuß Schlösser öffnen kann. Oder auch dem Epileptiker, der seine Krankenakte für den Notfall gespeichert hat. „Das kann Leben retten“, sagt Kramer und versichert, die Daten seien sicher. Um sie abzuscannen, brauche man bewussten Hautkontakt. Auch von der Ohe hätte gern Gesundheitsdaten wie den Impfstatus unter der Haut und will Werbung für die digitale Patientenakte machen. „Ich habe darüber schon mit Jens Spahn gesprochen“, berichtet sie von einem Kontakt zum Gesundheitsminister.

Biohacking ist das Thema der Doktorarbeit von Kulturwissenschaftlerin Laura Hille an der Leuphana Universität in Lüneburg. Sie befasst sich mit der Verschmelzung von Mensch und Maschine und versteht viele Vorbehalte nicht. „Warum sind bestimmte Technologien wie Herzschrittmacher oder Kupferspiralen zur Verhütung anerkannt und die Ängste vor den Chips so groß?“, fragt die 34-Jährige. „Die sogenannten RFID-Chips gibt es seit Jahrzehnten auf Paketen, Containern und in Etiketten von Kleidung zur Nachverfolgung.“

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All diese kleinen Plättchen hätten keinen Sender und nur wenig Reichweite. „Unser Smartphone hat deutlich sensiblere Daten, die viele freiwillig rausgeben“, sagt Hille und ist sich sicher, dass kleine Informationsträger unter der menschlichen Haut in etwa zehn Jahren gang und gäbe sind.