Wer bei der gesetzlichen Krankenversicherung ist, der wird im Alltag immer wieder daran erinnert. Es geht schon beim Termin-Chaos los: Langes Warten auf Facharzttermine gehört für Patienten zur Tagesordnung. In Großstädten wie Berlin lässt sich das hervorragend ausprobieren: Wer über Termin-Apps wie „Doctolib“ auf die Suche nach Terminen geht, der sieht, wie viel einfacher es als Privatpatient ist, eine Behandlung zu bekommen. Der Ärger darüber ist immer wieder groß – doch es geht noch dämlicher: Im Netz wird aktuell über ein Schild diskutiert, das den Unterschied zwischen Privatpatienten und Kassenpatienten noch deutlicher macht.
Wo genau das schräge Foto aufgenommen wurde: unklar. Klar ist aber: Seit zwei Tagen wird darüber auf dem Online-Portal Reddit diskutiert. Dort veröffentlichte ein Nutzer ein Bild, das er offenbar in einer Arztpraxis ausgenommen hat. Auf einem Kaffeevollautomaten thront die kleine Tafel darauf steht: „Nutzung der Kaffeemaschinen nur für Privatpatienten“. Das heißt: Wer hier wartet und gesetzlich versichert ist, der darf sich keinen Kaffee ziehen – alle, die als Patienten bei der privaten Krankenversicherung sind, dürfen sich über ein leckeres Heißgetränk freuen.
Das Kaffee-Verbot für Kassenpatienten lässt auf Reddit eine heftige Debatte aus
Das Foto des Schildes löste sofort heiße Debatten aus. Und macht viele Nutzer fassungslos – auch jene, die privat versichert sind. „Als Privatpatient stelle ich mich gerne als Barista zur Verfügung und bediene für alle die Maschine, genießen Sie Ihr gratis kaffeebasiertes Milchmischgetränk“, schreibt einer. Und erzählt die eigene Geschichte, die er im Krankenkassensystem erlebte.
„Ich wurde in einer Klinik mal an Kassenpatienten, die super frech auf Plastikstühlen in den Durchgang gesetzt wurden vorbeigeführt, um in einen Warteraum mit diesen Stressless Sesseln, Vollautomaten und Wasserauswahl zu warten.“ ER habe das sehr schräg gefunden – und kurzerhand Robin Hood gespielt: Er versorgte die Kassenpatienten, die im Gang saßen, mit Wasser und Kaffeegetränken nach Wunsch. „Was will die Klinik denn machen? Mich rauswerfen? Verdienen sie halt kein Geld mit mir und dem vielfachen Satz.“ Das Verhalten wird gelobt. „Das ist mit Abstand die beste und sympathischste Art des Ausnutzens einer privilegierten Situation“, schreibt ein Nutzer.

Ein anderer Patient beschreibt ein ähnliches Erlebnis. „Bei uns im Helios ist das leider auch so. Als Privatpatient bekommt man auf Nachfrage kleine Kaffee Kännchen. Mit Milch und Zucker. Kassenpatienten bekommen das natürlich nicht.“ Er habe mal mit einem anderen Patienten auf einer normalen Station im Krankenhaus gelegen, weil es keine private gab. „Habe dann so 4 – 6 Kannen Kaffee bestellt und in den Nachbar Zimmern verteilt. „Irgendwann hat mich die Schwester nur gefragt, ob sie die Kannen direkt rüber bringen soll. Selbst die Schwestern auf der Station hatten keinen Kaffee, also ging das auch auf mich.“ In zwei Wochen auf der Station habe er sage und schreibe 83 Kannen Kaffee bestellt, um andere Patienten und die Schwestern zu versorgen.
Auch andere Nutzer berichten von schrägen Erfahrungen bei Ärzten und in Kliniken
Ein Nutzer beschreibt die andere Perspektive: „Ich war mal in einem Krankenhaus als Teenager und hab mich mit einem gleichaltrigen Patienten auf der Privatstation angefreundet.“ Dort habe es nicht nur Kaffee gegeben, sondern beispielsweise auch Limonade und Kuchen und Gebäck. „Wurde den ganzen Aufenthalt von ihm damit mitversorgt. Genauso meine Zimmernachbarn und das Pflegepersonal.“ Und ein Nutzer, der selbst im Krankenhaus arbeitete, schreibt: „Kenne das, hab auch in dem System gearbeitet ... Bei uns auf der Station gabs das auch mit Kaffee und Tee. Und ich hab extra allen immer Tee und Kaffee gebracht und gemacht, obwohl nur Privatpatienten durften.“

Andere bezeichnen das, was hier passiert, einfach nur als „Zwei-K(l)assen-Gesellschaft“ oder – etwas ironischer – „Zwei-Tassen-Gesellschaft“. Doch es gibt auch Nutzer, die Verbesserungsvorschläge haben. Einer schreibt, er verstehe den offenen Hinweis auf Ungleichbehandlung nicht. „Etwas physisch für alle zugänglich zu machen, und dann gleichzeitig ein Schild dran hängen ,nur für besondere Leute‘ grenzt an Unprofessionalität. Vor allem bei sowas unaufwändigem wie Kaffee. Es gibt zig Ansätze, wie man sowas besser lösen könnte.“
Er schlägt Wertmarken für Privatpatienten vor – und getrennte Wartebereiche. „Gleichzeitig könnte man da den Service für Privatpatienten noch um bequemere Stühle, größere Zeitungsauswahl, oder sonstige Sachen erweitern.“ Andere geben an, in die Praxis gar nicht erst einen Fuß setzen zu wollen. „Ganz ehrlich, die Praxis würde ich freiwillig nicht betreten. Wenn das beim Kaffee schon anfängt, kann man davon ausgehen, als Kassenpatient in 90 Sekunden abgefertigt zu werden“, schreibt einer. Ein anderer: „Womöglich ist das die Idee dahinter? Kassenpatienten unterschwellig vermitteln, dass sie unerwünscht sind, damit sie nicht wiederkommen und Kapazitäten für Privatpatienten schaffen?“
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