Sie sind die krasseste Fernseh-Familie, die es im deutschen TV jemals gab – und erleben momentan ein kleines Comeback: Vor 30 Jahren begleitete ein Team von Stern TV erstmals die Familie Ritter aus Köthen. Familienoberhaupt Karin Ritter und ihre Kinder wurden damals zu zweifelhaften Stars, über die ganz Deutschland sprach. Der Grund: Das Kamerateam dokumentierte, wie Gewalt, rechtsradikale Parolen und Verwahrlosung den Alltag der Familie bestimmten. Zum Jubiläum zeigt Vox nun eine zweiteilige Doku über Familie Ritter. Dort ist auch das Schock-Interview zu sehen, mit dem alles begann.
Familie Ritter im TV: Doku über Karin Ritter und ihre Kinder holt Wahnsinnsquoten
Schon vor Monaten erschienen auf dem YouTube-Kanal von Stern TV nach und nach mehrere Teile einer Serie, die die Geschichte der Familie Ritter aus Köthen nacherzählten – die Doku, die zurzeit auf dem Sender Vox gezeigt wird, fasst diese Serienteile zu einem langen Film zusammen. Am vergangenen Mittwoch war der erste Teil zu sehen, am kommenden Mittwoch (26. Februar 2025, 20.15 Uhr, Vox) soll der zweite Teil ausgestrahlt werden. Das Interesse an der Nazi-Familie aus Köthen scheint auch nach vielen Jahren ungebrochen: Am Mittwoch sahen insgesamt durchschnittlich 1,16 Millionen Menschen die Sendung – genauso viele wie die Show „Du gewinnst hier nicht die Million“ mit Entertainer Stefan Raab.
Die Doku zeigte auch die Anfänge – die ersten Begegnungen mit Familie Ritter aus Köthen und die ersten TV-Ausschnitte, die Karin Ritter und ihren Söhnen zweifelhafte Berühmtheit verschafften. Damals, im April 1994, besuchte ein Team von Stern TV erstmals die Stadt Köthen und die dortige Obdachlosenunterkunft in der Angerstraße. Der Familie Ritter eilte ihr Ruf schon weit voraus. Die Familie Ritter sei im Viertel bekannt, sagte etwa ein Mann im Interview. „Die hat vier Jungs, die machen nichts weiter wie Dummheiten. Die kommen mit Beil und Spaten. Die haben hier ein Auto zerschlagen, das hätten Sie mal sehen müssen.“ Eine andere Nachbarin berichtete, sie könne ihre Kinder zum Spielen nicht mehr auf die Straße schicken.

Das erste Interview mit den Kindern der Familie Ritter sollte später riesige Wellen schlagen – und schockt noch heute die Menschen, die es im Netz sehen. Denn es zeigt die Bereitschaft zur Gewalt – und die Tatsache, dass den Kindern das rechte Gedankengut schon früh eingeimpft wurde. Norman Ritter, damals noch ein kleiner Junge, wird von den Reportern gefragt, was er mal werden möchte, wenn er groß ist. „Skinhead“, antwortet er und grinst breit. „Was findest du an Skinheads so schön?“, fragt der Reporter weiter. „Die Baseballschläger und die schwarze Uniform“, antwortet der kleine Junge.
René Ritter wetterte schon als Kind gegen Ausländer, wollte sie „kaputt schlagen“
Auch René Ritter hatte schon als Kind klare Ansichten dazu, warum Skinheads so toll seien. „Sie verteidigen die Deutschen gegen die Ausländer“, sagt er. Auf die Frage, was die Ausländer denn tun, antwortet er: „Die tun uns die Arbeit wegnehmen.“ Die Ausländer sind schuld daran, dass seine Eltern keine Arbeit haben – davon ist der Junge überzeugt. Doch das Interview wird noch schlimmer. „Kennst du einen Ausländer?“ – „Nöö.“ – „Möchtest du einen kennenlernen?“ – „Nöö“, sagt René. „Und wenn du einen kennenlernst?“ – „Den schlage ich blau“, antwortet René entschlossen. Er könne „die nicht leiden“, sagt er, würde auch Kinder oder sogar Babys „kaputt schlagen“, sagt er, grinst den Reporter breit an.
Auch die Schulleiterin der Schule, in der die Kinder der Familie Ritter lernten, wurde damals interviewt. Denn auch dort fürchteten sich alle vor den Kindern. Die Ritters kamen demnach mit selbstgebastelten Schlagstöcken in die Schule – Holzlatten, an denen Bänder befestigt waren, um sie am Handgelenk zu tragen. „Frühmorgens betreten sie damit die Schule, die Mitschüler werden dann empfangen, indem sie damit geschlagen werden.“ Auch Lehrkräfte seien bedroht und angegriffen worden. „Es herrscht Angst, sowohl von den Schülern dieser Schule als auch von Kollegen, die sich bedroht fühlen“, sagt die Schulleiterin Barb Gudera. Man könne nicht mehr abschätzen und beurteilen, „wie weit der Schüler in seinem momentanen Verhalten tätig wird“.
Expertin sicher: Man hätte die Kinder der Familie Ritter noch retten können!
In der großen Doku bei Vox kommt auch eine Expertin zu Wort. „Diese Ausdrücke, was er an Gewaltbereitschaft mitbringt, zeigt Empathielosigkeit in dem Alter, die extrem erschreckend ist – und die auch nicht mehr normal ist“, sagt Prof. Nina Kolleck, Erziehungswissenschaftlerin an der Universität Potsdam. Sie erklärt, dass die Kinder eine Chance gehabt hätten, wenn man sie frühzeitig aus der Familie Ritter herausgenommen, wenn man sie etwa in einer Pflegefamilie untergebracht hätte. Dort hätten sie andere Routinen und Rituale beigebracht bekommen – und eine andere Beziehung zu sich selbst und der Umgebung.
Stattdessen verlief der Lebensweg der Familienmitglieder anders: Familienoberhaupt Karin Ritter sorgte mit ihren Aussagen immer wieder für Wirbel. Die Söhne wurden zu Neonazis, verfielen Alkohol und Drogen, landeten früh im Gefängnis. Karin Ritter starb 2021 im Alter von 66 Jahren – sie hatte zuvor einen Schlaganfall erlitten und eine Behandlung wegen einer Krebserkrankung im Krankenhaus abgelehnt. Auch ihre Söhne Andy und Norman sind inzwischen tot. Norman wurde erst im Februar im Kreis der Familie und unter Polizeischutz auf dem Zentralfriedhof Köthen beigesetzt. ■