Hitze-Drama während der muslimischen Pilgerfahrt: Unfassbare Temperaturen von bis zu 51,8 Grad kosten mindestens 1301 Menschen das Leben. Ein arabischer Diplomat berichtete zunächst, dass allein aus Ägypten mindestens 600 Pilger den hohen Temperaturen zum Opfer gefallen seien. Es gäbe 300 weitere Tote und noch über 800 Vermisste. Im Wüstenstaat spielen sich tragische Szenen ab: Dutzende Angehörige durchsuchen verzweifelt die Krankenhäuser und befürchten das Schlimmste.
„Auch alle (neu bestätigten) Todesfälle sind auf die Hitze zurückzuführen“, bestätigt der arabische Diplomat. Damit gebe es mindestens 600 Todesopfer aus Ägypten. Auch Jordanien, der Iran, der Irak, Tunesien, Indonesien und der Senegal hatten in den vergangenen Tagen Todesopfer beim Hadsch gemeldet. Von mindestens 1301 Toten berichtet die BBC am Sonntagabend. Saudi-Arabien erklärte, die meisten seien nicht-angemeldete Pilger gewesen, die bei extremer Hitze lange Strecken gelaufen waren.
Jedes Jahr sterben Pilger auf der Reise nach Mekka
Ein asiatischer Diplomat sprach zunächst von „etwa 68“ verstorbenen indischen Pilgern. Damit kommt die Nachrichtenagentur AFP in ihren Berechnungen dieses Jahr bereits auf mindestens 922 Tote beim Hadsch. Vergangenes Jahr waren mehr als 200 Tote während der Pilgerreise gemeldet worden, die meisten stammten aus Indonesien.
Dazu kommenden Dutzende Vermisste. Eine von ihnen: Mabrouka bint Salem Shoushana, eine Tunesiern Anfang 70. Sie wird seit dem Aufstieg der Pilger auf den Berg Arafat am Samstag vermisst, wie ihr Mann Mohammed erklärt. Weil sie keine offizielle Erlaubnis für die Pilgerreise gehabt habe, habe sie keinen Zugang in die klimatisierten Räumlichkeiten gehabt, in denen sich die Pilger nach stundenlangem Beten in der prallen Sonne erholen können. Die Suche in allen Krankenhäusern habe bislang nichts gebracht.
Auch die 70-jährige Huria Scharif aus Ägypten wurde nach dem Gebet auf dem Berg Arafat vermisst gemeldet. „Wir haben an alle Türen geklopft, aber sie bislang nicht gefunden“, erklärte eine Freundin der Pilgerin.

Zu den Vermissten zählt auch die ägyptische Pilgerin Ghada Mahmud Ahmed Dawood. Ihre Tochter habe ihn angerufen und gebeten, dass er sich via Facebook an der Suche beteilige, sagte ein in Saudi-Arabien lebender Freund der Familie. „Wir haben sie bisher nicht auf der Liste der Toten gefunden, was uns hoffen lässt, dass sie noch lebt.“
Auch andere Pilger-Angehörige suchten verzweifelt nach Informationen. In Online-Netzwerken wurden zahlreiche Fotos von vermissten Hadsch-Teilnehmern veröffentlicht. Die Suche nach Vermissten wird dadurch erschwert, dass viele Gläubige aus finanziellen Gründen ohne die offizielle Pilger-Lizenz am Hadsch teilnehmen und daher nicht von den saudi-arabischen Behörden registriert wurden.
Pilgerfahrt unter immer extremeren Bedingungen
Die muslimische Pilgerfahrt ins saudi-arabische Mekka ist eine der fünf Säulen des Islam, sie soll von jedem gesunden Muslim, der es sich leisten kann, mindestens einmal im Leben unternommen werden. Der Zeitraum der Pilgerreise ist durch den islamischen Kalender festgelegt und fiel in den vergangenen Jahren immer wieder in Hitzeperioden. Dieses Jahr nahmen nach offiziellen Angaben 1,8 Millionen Gläubige teil, davon 1,6 Millionen Pilgerinnen und Pilger aus dem Ausland.
Viele der Rituale werden unter freiem Himmel und zu Fuß vollzogen, was vor allem für ältere Menschen eine Herausforderung ist. Nach Angaben der saudi-arabischen Behörden wurden allein am Sonntag mehr als 2700 Fälle von hitzebedingter Erschöpfung gezählt. Zu Todesfällen durch die hohen Temperaturen äußerten sich die Behörden nicht.
Laut einer im Mai veröffentlichten saudi-arabischen Studie werden die Wetterbedingungen während des Hadsch im Zuge der Erderwärmung immer schwieriger: Demnach steigt die Durchschnittstemperatur während der Pilgerreise jedes Jahrzehnt um 0,4 Grad. ■