Alice Weidel zieht als Kanzlerkandidatin für die AfD in den Wahlkampf, einer rechtsnationalen, fremdenfeindlichen Partei. Zugleich wohnt sie mit ihrer Lebensgefährtin Sarah Bossard, die aus Sri Lanka stammt, im Ausland. Mehreren Medienberichten zufolge soll ihr Hauptwohnsitz im schweizerischen Einsiedeln liegen. Dennoch behauptete Weidel im RTL-Quadrell, ihre Steuern zahle sie in Deutschland. Wie geht das zusammen, sagt die AfD-Kandidatin die Wahrheit?
RTL-Moderator Günther Jauch wollte es genau wissen: Immer wieder hakte er bei Alice Weidel nach. Die AfD-Kanzlerkandidatin ist außer ihrem Familienwohnsitz in der Schweiz auch in Überlingen am Bodensee gemeldet – dem Wohnort ihrer Eltern. „Wo ist denn von den beiden Gemeinden ihr Hauptwohnsitz?“, wollte Jauch wissen. Hintergrund der Frage: Wo zahlt sie Steuern? In dem Land, das sie am liebsten regieren möchte, oder doch im als Steuerparadies bekanntem Nachbarland, der Schweiz?
Günther Jauch will wissen: Zahlt Weidel auf alle Einkünfte in Deutschland Steuern?
Wenn Alice Weidel tatsächlich in der Schweiz mit ihrer Frau und zwei Söhnen lebt, wäre es legitim und auch naheliegend, dass sie dort auch Steuern abführt. Doch Weidel antwortet auf Jauchs Frage, sie zahle in Deutschland Steuern „weil ich für mein Land Politik machen möchte“. Jauch hakte im Quadrell nochmal nach: „Zahlen Sie auf alle Einkünfte in Deutschland Steuern?“ Wieder antwortete Alice Weidel mit „Ja“.
Dies sahen Millionen Fernsehzuschauer, darunter auch der bekannte Moderator und Wetterexperte Jörg Kachelmann, Schweizer, der beruflich viel in Deutschland zu tun hat. Sitz seiner Firma Kachelmann GmbH, die das Portal kachelmannwetter.com betreibt, ist die Schweizer Gemeinde Sattel. Auf dem Netzwerk BlueSky teilte Jörg Kachelmann seine Verwunderung: „Ich bin gerade noch mit Schweizer Steueranwälten dran, wie man das Wunder schafft, dass man als Familie in der Schweiz wohnt, die Kinder in der Schweiz zur Schule gehen, aber die ganze Familie #Weidel ALLE Steuern in Deutschland zahlt.“
Die Angelegenheit hatte zuvor bereits das ZDF interessiert: Ein Reporterteam besuchte die AfD-Ko-Chefin vor einiger Zeit in ihrem Wahlkreis Überlingen am Bodensee.
Wie viele Nächte verbringt Alice Weidel am Bodensee, fragt @DavidGebhard die AfD-Chefin. Dann bricht sie das Interview ab. pic.twitter.com/KTiUuZcd2i
— Martin Schmidt (@SchmidtLev) February 17, 2025
„Wie viel Einwohner hat der Wahlkreis?“, will der Reporter wissen. „Schon so einige“, antwortet Weidel. Genau wisse sie es nicht. „Müsste ich nachgucken.“ Auf die Frage, ob Überlingen ihr Hauptwohnsitz sei, antwortet Weidel mit „Ja“. Der Reporter setzt nach: Ob sie häufig in dem Ort am Bodensee übernachtet habe. „Ganz, ganz, ganz oft.“ Eine Nachfrage, wie oft denn genau, bezeichnet Weidel als „suggestive Frage“, auf die sie nicht antworte.
Alice Weidels Wahlkreis liegt am Bodensee, BKA für Personenschutz „im Ausland“ nicht zuständig
Der Südkurier ist nun der Frage nachgegangen, wie Weidel mit ihrer Familie in der Schweiz lebt. Die dortige Viereinhalb-Zimmer-Wohnung der beiden in Einsiedeln, eine malerische Kleinstadt am Siehlsee, ist demnach auf Weidels Frau Sarah Bossard eingetragen. Dort stehe nur deren Name an der Tür, dort gingen die beiden Söhne zur Schule, heißt es. Am Wohnsitz in Überlingen finden Reporter beide Namen an einer Klingel. Die Adresse sei allerdings die von Weidels Eltern, in deren Reihenhaus eine vierköpfige Familie als Untermieter kaum genug Platz finden würde.
Ein Sprecher von Alice Weidel beantwortet Fragen nach deren Wohnsitz damit, dass diese sich „aufgrund ihrer politischen und parlamentarischen Verpflichtungen, in erster Linie in Deutschland“ aufhalte. Damit ist aber die Frage nach dem Wohnsitz nicht beantwortet, denn vorübergehende Übernachtungen in Hotels oder ähnlichen Herbergen haben nichts mit dem Wohnsitz zu tun. Der Gesetzgeber verortet den Wohnsitz dort, wo die Person ihren Lebensmittelpunkt hat.
Einen indirekten Hinweis darauf, dass sich dieser bei Alice Weidel nicht in Deutschland befindet, lieferte das BKA im Oktober 2023: Dieses wurde wegen eines nicht näher bezeichneten sicherheitsrelevanten Vorfalls konsultiert, man habe aber „bei der Durchführung von Personenschutzmaßnahmen im Ausland ... keine hoheitlichen Befugnisse“, hieß es damals. Ein Polizeisprecher im zuständigen Schweizer Kanton Schwyz bestätigte jedoch Personenschutzmaßnahmen. Ein Weidel-Sprecher sagte damals, man habe der AfD-Politikerin geraten, „einige Zeit ihrer häuslichen Umgebung fernzubleiben, welche ein mutmaßliches Anschlagsziel war.“ ■