„Xodus“

Promis verlassen Musk-Netzwerk in Scharen: Steht X vor dem Aus?

Innerhalb weniger Tage kündigen zahlreiche Schauspielerinnen und andere Promis das Netzwerk, in dem sich seit der Übernahme durch Elon Musk immer mehr Hass und Fake News ballen.

Teilen
Schauspielerin Meryl Streep, Bestseller-Autor Stephen King und Sängerin Barbra Streisand: Sie gehören zu den Promis, die Musks Netzwerk X den Rücken kehren.
Schauspielerin Meryl Streep, Bestseller-Autor Stephen King und Sängerin Barbra Streisand: Sie gehören zu den Promis, die Musks Netzwerk X den Rücken kehren.dpa/AP/Pizello/Shotwell

Was passiert da gerade beim Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter, der seit rund zwei Jahren Elon Musk, dem wohl reichsten Mann der Welt, gehört? Zahlreiche User kehren der Plattform den Rücken, und immer mehr Promis erklären, warum sie fortan nicht mehr auf der umstrittenen Plattform posten wollen.

Seitdem Tesla-Chef Elon Musk Ende Oktober 2022 den Kurznachrichtendienst Twitter für den gigantischen Preis von 44 Milliarden Dollar kaufte, kommt die seitdem in X umbenannte Plattform nicht mehr aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Fake News und Fake-User waren schon vor der Übernahme ein Problem auf dem Microblogging-Dienst, doch Promis, Politiker und Influencer nutzten die Plattform intensiv. Doch seitdem Musk bei X das Sagen hat, haben Hass, Hetze und Falschnachrichten massiv zugenommen, werden sogar vom Unternehmenschef selbst verbreitet. Zahlreiche Werbekunden wie Mars und Unilever wollen ihre Produkte nicht mehr auf X zeigen – und nun erreicht der User-„Xodus“ eine neue Dimension: Innerhalb weniger Tage erklären zahlreiche Promis, warum sie nicht mehr auf X posten – und es werden wohl nicht die letzten sein.

Promis verlassen X/Twitter: Stephen King, Meryl Streep, Barbra Streisand

Mit 7 Millionen Followern gehört Bestseller-Autor Stephen King („The Shining“, „Es“) zu den einflussreichsten Stimmen auf X. Am Freitag setzte er seinen letzten Tweet ab.

„Ich verlasse Twitter. Ich habe versucht zu bleiben, aber die Atmosphäre ist zu toxisch geworden. Folge mir auf Threads, wenn Du magst.“ Threads ist die Microblogging-Plattform vom Facebook-Konzern Meta, zu der viele vormalige Twitter-User ausgewichen waren, als der Dienst im Juli 2023 international startete. In der EU war die Nutzung allerdings erst ab Dezember 2023 möglich. Auf Threads findet man seit Samstag auch Hollywood-Schauspielerin Meryl Streep („Mamma Mia!“,„ Jenseits von Afrika“).

Auf Threads ansehen

Am Sonntag schob Meryl Streep auf Threads gleich noch die Frage hinterher: „Sollte ich mich auch bei BlueSky anmelden, was meint Ihr?“ Die fast einhellige Antwort ihrer neuen Threads-Follower lautet: Ja. Direkt nach BlueSky hat es einen weiteren Promi verschlagen: Barbra Streisand, eine der weltweit erfolgreichsten Sängerinnen.

Twitter-Exodus: Elton John hatte X bereits nach Elon Musks Übernahme verlassen

„Mit sofortiger Wirkung werde ich alle Kommentare auf BlueSky posten“, so der letzte Kommentar der Diva, versehen mit dem Hashtag: #TwitterExodus. Andere User posten #Xodus, oder, wie Schauspielerin Jamie Lee Curtis, schlicht: #Goodbye. Sie deaktivierte ihren Account. Bereits nach der Wiederwahl von Donald Trump hatte Kult-Schauspielerin Bette Midler ihren X-Account stillgelegt – aus Protest gegen die Nähe von Musk zu Trump, der den Unternehmer sogar in sein Kabinett einbinden will. Andere Promis wie Elton John hatten X bereits nach der Übernahme durch Musk verlassen.

Anders als in den USA oder Großbritannien steht Twitter/X seit jeher im Schatten anderer Netzwerke, wird aber weiterhin intensiv von Poltikern, Journalisten und Aktivisten bespielt. Außenministerin Annalena Baerbock nutzte zeitweise BlueSky intensiv, setzte dann aber vor 10 Monaten ihren letzten Skeet ab, wie Posts auf dem kleineren Netzwerk genannt werden. Doch das wächst, beflügelt durch den „Xodus“ mit einer rasanten Geschwindigkeit und hat inzwischen mehr als 18 Millionen User. Weitaus mehr Nutzer hat X seit der Übernahme Musks bereits verloren. Zuletzt wurden zwar 335 Millionen angegeben, doch der Anteil von Fake-Accounts und Bots ist enorm. Zudem stellen User immer wieder fest, dass die Reichweite von bestimmten Accounts manipuliert wird und Trends, die Elon Musk offenbar nicht gefallen, nicht erscheinen, beispielsweise #BlueSky.

Während andere zu BlueSky und Threads gehen, kehrt Robert Habeck zu X zurück: „back for good“

Wohl ohne zu ahnen, welche Dynamik der „Xodus“ aufnehmen würde, hat sich einer dazu entschieden, in die umgekehrte Richtung zu gehen: der frischgekürte grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck hatte seinen X-Account lange Zeit aktiviert, bis er am 7. November twitterte: „back for good“ – zurück für immer. Während dem Bundeswirtschaftsminister auf X viel Häme und Hass entgegenströmt, bekommen dieselben Inhalte auf BlueSky überwiegend Zustimmung. In rechten Kreisen wird BlueSky als wokes Medium angesehen, was aber nur in Teilen stimmt. Auch CDU-Politiker wie Verteidigungsexperte Nico Lange und Außenpolitiker Norbert Röttgen bekommen auf BlueSky viele Likes, werden zitiert und kommentiert.

Rechtsextreme Politiker und Influencer sowie Troll-Accounts wurden jedoch von Anfang an gnadenlos geblockt – weshalb Diskussionen auf dem Netzwerk zwar kontrovers, aber meist auch konstruktiv verlaufen. Auf X hatten hingegen schon vor Musks Übernahme sogenannte Sifftwitter-Accounts geradezu Jagd auf unliebige Personen gemacht. Politikerinnen wie Renate Künast wurden übel beschimpft und bedroht, bis sie sich mit Hilfe der Organisation HateAid gerichtlich wehrte. Musk hingegen gehört selbst zu den radikalsten Verbreitern von Hass, Fake News und Beleidigungen. Habeck und Kanzler Scholz nannte Musk auf Deutsch Narren („Olaf ist ein Narr“). Vor antisemitischen Verschwörungstheorien schreckt der X-Chef ebenso wenig zurück, wie seine eigene Tochter Vivian für tot zu erklären. Damit wollen immer weniger Nutzer etwas zu tun haben, der „Xodus“ nimmt Fahrt auf. ■