Starker Rechtsruck

Neue Fraktion steht: So radikal ist die AfD im Bundestag!

152 Abgeordnete werden für die AfD im neuen Bundestag sitzen. Viele der neuen Gesichter sind umstritten und gehören zum Rechtsaußen-Flügel der Partei!

Author - Stefan Doerr
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Sie bleiben auf Wunsch der Fraktion die Doppelspitze der AfD: Alice Weidel und Tino Chrupalla.
Sie bleiben auf Wunsch der Fraktion die Doppelspitze der AfD: Alice Weidel und Tino Chrupalla.John Macdougall/AFP

Mit der Bundestagswahl ist die Fraktion der AfD im Parlament kräftig gewachsen. Die Rechtspopulisten holten 20,8 Prozent der Stimmen und stellen jetzt 152 Abgeordnete, nach zuletzt 77 Vertretern im Reichstag. 60 Abgeordnete gehörten dem bisherigen Bundestag an, und mehr als die Hälfte, nämlich 92 Mandatsträger, sind neu dabei.

Viele von ihnen kommen aus den besonders radikalen Landesverbänden in Bayern und Ostdeutschland. Einige von ihnen sind schon öffentlich in Skandale verstrickt gewesen, wie etwa der wegen seiner Kontakte zu den autoritären Regimen in Russland und China geschasste EU-Wahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah aus Sachsen. Außerdem sitzen in der neuen Fraktion auch drei Führungskader des rechtsextremen Thüringer Landesverbandes um Björn Höcke. Wie radikal wird die AfD im neuen Bundestag? Hier ein Überblick:

Maximilian Krah

Am umstrittensten ist ohne Frage der Europapolitiker Maximilian Krah! Er hatte am Sonntag im sächsischen Wahlkreis Chemnitzer Umland-Erzgebirgskreis II mit deutlichem Abstand die meisten Erststimmen erhalten und damit den Einzug in den Bundestag geschafft. Der zum ultrarechten AfD-Lager zählende Politiker sitzt seit 2019 im Europaparlament und war bei der Europawahl im vergangenen Juni Spitzenkandidat.

Als Kandidat für die Europawahl wurde Maximilian Krah einst geschasst, jetzt sitzt er im Bundestag.
Als Kandidat für die Europawahl wurde Maximilian Krah einst geschasst, jetzt sitzt er im Bundestag.Bernd von Jutrczenka/dpa

Doch vor der Europawahl hatte Krah wochenlang in den Schlagzeilen gestanden und die AfD-Chefs in Erklärungsnöte gebracht. Hintergrund waren teils schrille öffentliche Auftritte und Berichte über mutmaßliche Russland- und China-Verbindungen sowie Ermittlungen gegen einen Ex-Mitarbeiter wegen mutmaßlicher Spionage für China.

Wenige Wochen vor der Europawahl 2024 sorgte Krah mit verharmlosenden Äußerungen über die SS in einer italienischen Zeitung für zusätzliche Empörung. Krah wurde von der AfD-Spitze um Weidel vom Wahlkampf suspendiert, die AfD-Delegation im Europaparlament schloss ihn aus ihren Reihen aus.

Matthias Helferich

Der Dortmunder AfD-Politiker Matthias Helferich wiederum zog am Sonntag über die nordrhein-westfälische Landesliste erneut in den Bundestag ein. Er hatte sich 2017 in einem nicht öffentlichen Facebook-Chat als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet. Wegen des Skandals um dieses Posting verzichtete Helferich 2021 auf sein Fraktionsmandat. Im Bundestag blieb er aber dennoch vertreten und forderte als Fraktionsloser in seinen Reden „millionenfache Remigration“.

Matthias Helferich verzichtete wegen des Skandals um ihn 2021 auf sein Fraktionsmandat, jetzt ist er rehabilitiert.
Matthias Helferich verzichtete wegen des Skandals um ihn 2021 auf sein Fraktionsmandat, jetzt ist er rehabilitiert.Fabian Strauch/dpa

Gegen Helferich läuft auch ein Parteiausschlussverfahren, dass die NRW-AfD im vergangenen Jahr angestrengt hatte. In einem Antrag an das Landesschiedsgericht der Partei hieß es damals, Helferich habe „die Außerlandesbringung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund und weiteren Personenkategorien unter Anwendung staatlicher Zwangsmittel als politische Zielsetzung artikuliert“. Dabei habe er die Betroffenen als „Viecher“ bezeichnet.

Stellvertreter von Björn Höcke im Bundestag

Und auch wenn der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke nicht persönlich im Parlament sitzt, ist sein Kurs im Bundestag stark vertreten. Acht Abgeordnete – vorher fünf –kommen aus dem Landesverband des Parteirechtsaußen-Vertreters. Mit Stefan Möller, Torben Braga und Robert Teske sind gleich drei seiner treuesten Anhänger im Parlament. Möller ist neben Höcke der Co-Sprecher des als gesichert rechtsextrem eingestuften Thüringer AfD-Verbands. Robert Teske ist Höckes Büroleiter und Torben Braga ein enger Berater Höckes in Personalfragen.

Stefan Möller ist Björn Höckes Co-Parteichef in Thüringen.
Stefan Möller ist Björn Höckes Co-Parteichef in Thüringen.Funke Foto Services/Imago

Birgit Bessin

Zwei neue Brandenburger AfD-Abgeordnete haben auch keine Berührungsängste zum Rechtsextremismus. Birgit Bessin war Stellvertreterin und enge Vertraute des aus der Partei ausgeschlossenen Neonazis Andreas Kalbitz. 2015 zählte sie zu den Erstunterzeichnern der „Erfurter Resolution“. Mit der wurde der „Flügel“ gegründet, frühes Machtinstrument und -symbol für die Rechtsextremisten um Höcke und Kalbitz in der Partei. Auch stand Bessin stets treu an der Seite der langjährigen Parteijugend Jungen Alternative, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem beobachtet wird.

Birgit Bessin aus Brandenburg gehörte zu den Gründungsmitgliedern des rechten „Flügels“.
Birgit Bessin aus Brandenburg gehörte zu den Gründungsmitgliedern des rechten „Flügels“.Britta Pedersen/dpa

Arne Raue

Der Abgeordnete Arne Raue, Brandenburgs erster AfD-Bürgermeister in Jüterborg, machte Wahlkampf mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Arthur Österle. Er soll 2018, so die Leipziger Volkszeitung, „Chefordner“ der rechtsextremen Bewegung „Pro Chemnitz“ gewesen sein. Demnach habe er am Rande von deren Kundgebungen Journalisten bedroht.

Christoph Birghan

Christoph Birghan zieht über die bayerische Landesliste in den Bundestag ein. Dort könnte er neue Netzwerke weit über die eigene Landesgruppe hinaus aufbauen. Denn Birghan ist – wie so viele AfD-Politiker – Burschenschafter und der Drahtzieher der Gruppe der „Korpo­rierten in der AfD“. Birghan ist ein sogenannter „Alter Herr“ der Burschenschaft Gothia Berlin. Die Burschenschaft steht wegen mutmaßlich rechtsextremer Tendenzen in die Kritik.

Christoph Birghan steht für das Netzwerk der Burschenschafter in der AfD.
Christoph Birghan steht für das Netzwerk der Burschenschafter in der AfD.Bihlmayerfotografie/Imago

Wie weit die AfD nun nach Rechts rückt, ist Sache der Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Alice Weidel scheint jedoch einen Rechtsruck nicht zu fürchten. Über den Wortführer des extremistischen Parteiflügels, Björn Höcke, sagte Weidel: „Das sehr provokante Element hat sich bei ihm abgeschwächt. Er macht einen hervorragenden Job in Thüringen. Die Strafprozesse finde ich lächerlich und fragwürdig.“ Und dass sich Matthias Helferich einst „das freundliche Gesicht des NS“ nannte, war für Weidel am Wahlabend schlicht „Schnee von gestern“. ■