Wegweisendes Urteil

Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte leiblicher Väter

Biologischer Vater muss nach Trennung auch rechtlicher Vater sein können.

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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, Miriam Meßling, Heinrich Amadeus Wolff, Josef Christ, Henning Radtke, Stephan Harbarth, Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts, Yvonne Ott, Ines Härtel und Martin Eifert (v.l.n.r.), verkündet das Urteil in Sachen „Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung“. 
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, Miriam Meßling, Heinrich Amadeus Wolff, Josef Christ, Henning Radtke, Stephan Harbarth, Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts, Yvonne Ott, Ines Härtel und Martin Eifert (v.l.n.r.), verkündet das Urteil in Sachen „Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung“. Uli Deck/dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte leiblicher Väter gestärkt. Biologische unverheiratete Väter müssen nach einem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil Elternverantwortung übernehmen und die von einem anderen Mann übernommene rechtliche Vaterschaft anfechten können. Es verstoße gegen das Elterngrundrecht, wenn ein biologischer Vater zu seinem Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut oder sich darum bemüht hat, ihm wegen des neuen Lebensgefährten der Mutter und rechtlichen Vaters des Kindes aber verwehrt ist, selbst rechtlicher Vater zu werden, urteilten die Richter. (AZ: 1 BvR 2017/21)

Im konkreten Fall ging es um einen Mann aus Sachsen-Anhalt, der sich nach eigenen Angaben seit der Geburt seines Sohnes im April 2020 intensiv um das Kind gekümmert hat. Die Beziehung mit der Mutter zerbrach kurz nach der Geburt. Der leibliche Vater zog aus und ein neuer Lebensgefährte zog in den Haushalt der Frau mit dem Sohn und weiteren fünf Geschwistern ein.

Als der biologische Vater seine Vaterschaft anerkennen lassen wollte, erschien die Mutter nicht zum vereinbarten Termin am Standesamt. Der Ex-Partner leitete daraufhin ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein.

Die Mutter kam einer gerichtlichen Entscheidung zuvor. Mit ihrer Zustimmung erkannte ihr neuer Partner die rechtliche Vaterschaft an. Damit war ein Sorgerecht des biologischen Vaters ausgeschlossen.

Ihm steht nur ein sehr eingeschränktes Umgangsrecht zu. Er kann seinen heute dreijährigen Sohn derzeit nur alle zwei Wochen für jeweils drei Stunden sehen.

Elterngrundrecht des biologischen Vaters verletzt

Das Oberlandesgericht Naumburg bestätigte, dass der neue Partner der Frau als rechtlicher Vater gelte. Der Mann habe bereits eine „sozial-familiäre Beziehung“ zu dem Kind aufgebaut und sogar Elternzeit genommen. In solch einem Fall sei es ausgeschlossen, dass der biologische Vater die rechtliche Vaterschaft des anderen Mannes anfechten kann.

Damit werde jedoch das Elterngrundrecht des biologischen Vaters in verfassungswidriger Weise verletzt, urteilte das Bundesverfassungsgericht nunmehr. Dieses Grundrecht stehe biologischen Vätern auch dann zu, wenn sie nicht rechtliche Väter sind.

Sei ein anderer Mann rechtlicher Vater, „muss dem leiblichen Vater ein Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm grundsätzlich die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft ermöglicht“. Dies gelte erst recht, wenn der biologische Vater bereits eine sozial-familiäre Bindung zum Kind aufgebaut oder sich frühzeitig darum bemüht hat. Dem Gesetzgeber sei es verfassungsrechtlich nicht verwehrt, allen die rechtliche Elternschaft zuzuerkennen.

Die Karlsruher Richter kippten damit eine Bestimmung zur Vaterschaftsanfechtung, die allerdings bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2025 in Kraft bleibt. Bis dahin können betroffene biologische Väter die Aussetzung ihres bereits eingeleiteten Anfechtungsverfahrens beantragen. ■