Warum arbeiten gehen, wenn es sich im Bürgergeld fast genauso gut leben lässt? Seit Monaten wird über die Höhe des Bürgergelds gestritten. Der Staat verpulvere Milliarden (46,9 Milliarden Euro in 2024), Empfänger lebten quasi wie die Made im Speck und das Geld würde dazu verleiten, dass sie sich gar keinen Job mehr suchen. So lauten die Vorwürfe. Aber ist die Sozialleistung so üppig, dass sich ein Job nicht lohnt? Eine neue Studie hat eine eindeutige Antwort.
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) hat in der Studie Bezieher des Bürgergelds verglichen mit Beschäftigten, die für Mindestlohn arbeiten. Gerechnet wurde mit dem heutigen Mindestlohn von 12,82 Euro die Stunde. Einbezogen wurde, dass Menschen mit so geringem Lohn gegebenenfalls zusätzlich Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag haben. Die Rechenbeispiele beziehen sich auf Arbeit in Vollzeit, was im Durchschnitt knapp 38,2 Stunden pro Woche bedeute.
So groß ist der finanzielle Unterschied
Und bei den Berechnungen kommt das WSI zu einem verblüffenden Ergebnis: Mit einem Mindestlohnjob in Vollzeit hat man etliche Hundert Euro mehr in der Tasche. Im Schnitt hat man als Single 557 Euro mehr im Monat an verfügbarem Einkommen – also ziemlich genau das Doppelte des Regelbedarfs von derzeit 563 Euro. Dass das Einkommen mit einer Vollzeitbeschäftigung zum Mindestlohn deutlich höher ist als das Bürgergeld, gelte für Alleinstehende ebenso wie für Alleinerziehende und Paare mit Kindern, und zwar in allen Regionen Deutschlands, so das WSI weiter.
Gerechnet wurden drei Fallbeispiele. Im Fall 1 kommt ein alleinstehender Mann mit Mindestlohn auf 2121,58 Euro brutto im Monat. Davon bleiben laut WSI nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben 1546 Euro. Zusammen mit dem rechnerischen Anspruch auf 26 Euro Wohngeld ergebe sich ein verfügbares Einkommen von 1572 Euro.
Dagegen stünden dem Mann im Bürgergeld 563 Euro Regelsatz und 451,73 Euro für Miete zu. Zusammen also 1015 Euro. Das sind 557 Euro weniger als im Job mit Mindestlohn. Zieht man den Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro ab, bleibt eine Differenz von über 500 Euro.

Fall zwei ist eine alleinerziehende Frau mit einem fünfjährigen Kind. Sie käme in Vollzeit mit Mindestlohn auf 1636 Euro netto. Mit Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss sind es laut Studie 2532 Euro. Beim Bürgergeld wären es mit den beiden Regelsätzen für Mutter und Kind, dem Mehrbedarf für Alleinerziehende, Kosten der Unterkunft und Sofortzuschlag 1783 Euro, also 749 Euro weniger.
Drittes Beispiel: Ein Ehepaar mit einem Verdiener mit Mindestlohn und zwei Kindern im Alter von fünf und 14 Jahren hätte im Bürgergeld 660 Euro weniger, haben die Experten kalkuliert.
Bezahlbarer Wohnraum wichtig
„Die Zahlen dieser Studie zeigen erneut, dass Bürgergeldempfänger unabhängig vom Haushaltstyp und von der Region, in der sie wohnen, weniger Geld haben als Erwerbstätige, die zum Mindestlohn arbeiten“, betonte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Zudem werde deutlich, mit wie wenig Menschen im Bürgergeld auskommen müssten. Statt bei der Höhe des Bürgergelds bestehe Handlungsbedarf bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Helfen würde auch Qualifizierung von erwerbsfähigen Menschen im Bürgergeldbezug, so Kohlrausch.