Konzern unter Druck

Bericht: Lässt die Bahn Züge ausfallen, um die Statistik zu frisieren?

Laut „Spiegel“ werden verspätete Züge gestoppt, um die Pünktlichkeitsbilanz zu schönen. Der Konzern dementiert, doch Lokführer sehen das anders!

Author - Berliner KURIER
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Die Bahn ist Recherchen nach noch viel unpünktlicher, als die Statistik angibt.
Die Bahn ist Recherchen nach noch viel unpünktlicher, als die Statistik angibt.Panama Pictures/Imago

Nur 60 Prozent der Fernzüge in Deutschland erreichen pünktlich ihr Ziel. Seit Jahren steht die Deutsche Bahn massiv in der Kritik wegen Zugausfällen und Verspätungen. Doch in Wahrheit sieht die Statistik offenbar noch viel schlimmer aus! Laut Berichten lässt die Bahn Züge komplett ausfallen, um die Pünktlichkeitsstatistik zu frisieren.

Konkret geht es im Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ um zwei Fälle aus dem September, bei denen Züge mit einer beziehungsweise mit zwei Stunden Verspätung unterwegs waren. In beiden Fällen wurden die Züge schließlich gestoppt; die Fahrgäste mussten mit anderen Verbindungen an ihr Ziel kommen. Das Magazin zitiert in diesem Zusammenhang eine Nachricht aus einem internen System-Chat der DB, in dem es hieß: „Zug fällt zur Verbesserung der Statistik ab Köln aus“. Zudem berichtet das Magazin, zahlreiche Bahnmitarbeiter hätten bestätigt, dass es im Konzern mittlerweile geübte Praxis sei, Züge für die Statistik ausfallen zu lassen.

Ausgefallene Züge gehen nicht in die Statistik ein

Hintergrund ist, dass Zugausfälle nicht in der betrieblichen Pünktlichkeitsstatistik berücksichtigt werden. Sie erfasst die Haltepunkte der Züge, die diese mit einer Verspätung von mindestens sechs Minuten erreichen. Ausgefallene Züge gehen nicht in diese Quote ein, bei Teilausfällen nur die Strecke, die der Zug bereits zurückgelegt hat. Insgesamt waren im vergangenen Monat der Statistik nach nur knapp 60 Prozent der Fernzüge pünktlich unterwegs.

Zugausfälle fließen nicht in die Pünktlichkeitsstatistik ein.
Zugausfälle fließen nicht in die Pünktlichkeitsstatistik ein.Marijan Murat/dpa

Bahn nennt andere Gründe für Zugausfälle

Der Konzern dementiert den Vorwurf, Züge vom Gleis zu nehmen um die Zahlen zu frisieren. Die Gründe dafür, dass in Einzelfällen Züge gestoppt werden und die Fahrgäste umsteigen müssen, seien andere: Zum einen müssten auf hoch verspäteten Zügen die arbeitsrechtlichen Belange des Zugpersonals berücksichtigt werden. Außerdem belasteten die verspäteten Verbindungen das ohnehin schon überlastete Netz. Daher könne es unter bestimmten Bedingungen sinnvoll sein, Züge auf Teilabschnitten ausfallen zu lassen. Allerdings nur, wenn es auf der Strecke eine direkte Alternative für die Fahrgäste gebe.

GDL-Chef Mario Reiß bestätigt die Tricksereien bei der Bahn.
GDL-Chef Mario Reiß bestätigt die Tricksereien bei der Bahn.photothek/Imago

Gewerkschaft bestätigt Trickserei

Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) widerspricht da entschieden und bekräftigt die Vorwürfe. „Dass Züge aus der Statistik genommen werden, um die Bilanz zu schönen, ist für uns keine Überraschung und seit längerem unter Fachpersonal ein offenes Geheimnis“, sagte GDL-Chef Mario Reiß dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Unsere Mitglieder erleben solche Situationen seit Langem in ihrem Arbeitsalltag und berichten uns regelmäßig davon“, kritisierte er. Die Konzernspitze versuche, mit Zahlentricks und Leerfahrten von den eigentlichen Ursachen abzulenken, so der GDL-Chef weiter. „Jede einzelne Verspätung löst weitere Folgeverspätungen aus, ein regelrechter Strudel entsteht“, kritisiert er. Statt dieses „Kernproblem“ anzugehen, werde mit kurzfristigen Maßnahmen der Eindruck erweckt, als sei die Lage unter Kontrolle. (mit dpa)