Hohe Fallzahlen

Barmer-Report schlägt Alarm: Zahl der Pflegebedürftigen explodiert!

Innerhalb weniger Jahre hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen fast verdoppelt. Wie kommt das und wie kann man die steigenden Kosten schultern?

Author - Stefan Doerr
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Eine Pflegekraft begleitet in einem Pflegezentrum eine Seniorin über den Flur.
Eine Pflegekraft begleitet in einem Pflegezentrum eine Seniorin über den Flur.Bernd Thissen/dpa

Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland ist in wenigen Jahren regelrecht explodiert – und das nicht wegen der Alterung der Gesellschaft. Zwischen 2015 und 2023 schnellte die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf von drei auf 5,7 Millionen hoch, ergab der neue Barmer-Pflegereport. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg parallel dazu fast auf das Doppelte, von 3,21 auf 6,24 Prozent.

Die Alterung der Gesellschaft erklärt diese Entwicklung nur zu einem kleinen Teil. Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass lediglich 15 Prozent des Anstiegs auf die alternde Bevölkerung zurückzuführen sind. Wesentlicher Treiber sei vielmehr die Pflegereform von 2017, die aus Pflegestufen Pflegegrade machte – und damit deutlich mehr Menschen Zugang zu Leistungen eröffnete.

Dies bestätigt Barmer-Chef Christoph Straub: Die Reform habe „eine Leistungsausweitung durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ ausgelöst. „Durch die leichtere Inanspruchnahme von Pflegeleistungen wurden immer mehr Menschen als pflegebedürftig anerkannt und haben frühzeitig Unterstützung erhalten“, erklärt auch Studienautor Heinz Rothgang von der Universität Bremen.

Prof. Dr. Christoph Straub fordert dringende Reformen in der Pflege.
Prof. Dr. Christoph Straub fordert dringende Reformen in der Pflege.imago/Metodi Popow

Die Auswertung des Reports zeigt, wie stark sich das in der Praxis bemerkbar macht. Bei Krankheiten wie Krebs, Demenz, Parkinson oder Herzschwäche ist der Anteil der Betroffenen, die zugleich als pflegebedürftig gelten, teils drastisch gestiegen. So waren 2017 rund 11,4 Prozent der Krebspatienten pflegebedürftig – 2023 bereits 20 Prozent. Bei Demenz lag der Anteil im Jahr 2017 bei 68,1 Prozent, 2023 stieg der Anteil auf 78,5 Prozent.

Die Folge: steigende Kosten, zunehmender Druck auf die Pflegeversicherung und eine Reformdebatte, die immer lauter wird. Straub fordert angesichts der Entwicklungen eine grundlegende Reform des Systems: „Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler dürfen nicht noch stärker belastet werden.“ Die von der Gesundheitsministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll noch in diesem Jahr Vorschläge für eine große Pflegereform vorlegen.

Zuletzt war zur finanziellen Stabilisierung der Pflegeversicherung in der Bundesregierung eine mögliche Abschaffung des niedrigsten Pflegegrades 1 in der Diskussion. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte dazu in jüngsten Äußerungen erklärt, dass Pflegegrade nicht abgeschafft, sondern inhaltlich angepasst werden sollten, einzelne Leistungen müssten auf den Prüfstand.