Liebe Leserin und lieber Leser,
Es ist soweit. Aus mir wird eine Rentnerin! Wie wird das werden? Bin ich vorbereitet auf eine Zeit ohne Termine, Verpflichtungen – stopp! So wird das schon mal gar nicht. Ich habe viel vor. Und dennoch umschleicht mich ein bisschen Wehmut, denn da geht ein Lebensabschnitt zu Ende und ich schaue zurück!
Vor gut 40 Jahren wurde in Bremen aus meinem Hobby Fotografie mein Beruf. Fast zehn Jahre lang machte ich in einem kleinen Fotografenteam Bilder aus der Region für Zeitungen, Zeitschriften, eine Nachrichten-Agentur und das Regional-Fernsehen „Buten & Binnen“.
Nach der Wende zog es mich nach Berlin. Hier tobte das Leben, hier passierte Geschichte! Anfang 1992 – Berlin war gerade Hauptstadt geworden – zog ich mit meinem zweijährigen Sohn in die Metropole. Schon in den ersten Wochen begann ich für den Berliner Kurier zu fotografieren. Da ich weder Familie noch Freunde in Ost- oder Westberlin hatte und die große Stadt mir völlig unbekannt war, halfen mir vor allem meine neuen Kolleginnen und Kollegen, heimisch zu werden und Wurzeln zu schlagen. Der Ostteil der Stadt war all die Jahre mein Haupteinsatzgebiet. Deshalb kenne ich mich hier noch immer besser aus als in West-Berlin.
Ich habe 25 Jahre lang fotografisch begleitet, wie die Stadt zusammenwuchs, vor allem in Mitte: Friedrichstraße, rund ums Brandenburger Tor, Unter den Linden, Abriss des Palastes der Republik, Potsdamer Platz und vieles mehr, dazu neue Malls in Marzahn und überall in der Stadt.
Die Baustellen waren Schaustellen
Diese 25 Jahre mit der Kamera unterwegs in der Stadt waren für mich extrem spannend, intensiv, aufregend und eine sehr vitale Zeit. Dabei war es gar nicht immer so leicht, mittlerweile drei Kinder und den Job unter einen Hut zu bringen. Einen Kindergartenplatz zu ergattern, war zum Glück in dieser Zeit nicht so schwer wie gegenwärtig. Mein Beruf, aus dem ich sehr viel Selbstvertrauen und Bestätigung gezogen habe, hat mich oft mehr erfüllt, als zum hundertsten Mal mich um die Wäsche zu kümmern oder die Küche zu putzen … all die Hausarbeit, die zu Hause täglich auf mich gewartet hat.

Vor sieben Jahren hab ich dann die Kamera eingepackt und konnte an den Schreibtisch in die Fotoredaktion wechseln. Nun schaue ich mir am Bildschirm an, was draußen in Berlin so los ist. Die Baustellen nerven mittlerweile, überall steht man im Stau, bezahlbare Wohnungen sind rar, die Stadt ist voller Menschen und sehr laut geworden.
Es liegt leider sehr viel mehr Abfall und Müll herum auch in meiner Gegend am Tiergarten, was mich bei den morgendlichen Gängen mit meiner Hündin nötigt, im Zick-Zack zu laufen.
Trotzdem liebe ich Berlin, denn nirgendwo kenne ich mich so gut aus, wie hier. Das gibt mir Sicherheit. Ich habe liebe enge Freunde gefunden und einen großen Bekanntenkreis. Meine Kinder sind in dieser Stadt groß geworden und fühlen sich hier wohl und geborgen.
Die neue Zeit
Nun beginnt nach 42 Jahre im Job erneut eine neue Zeit für mich: die Rente. Ich werde „Zeit-Millionärin“. Was ich tun werde? Gewiss nicht auf dem Sofa sitzen. Geplant ist im Sommer der Umzug in eine kleine Stadt in Schleswig-Holstein. Auch diese Stadt werde ich erkunden und kennen lernen, diesmal wieder mit der Kamera.

Endlich Zeit fürs Wandern und ein bisschen mehr Sport! Spaziergänge mit dem Hund an der nahen Ostsee. Mein Fahrrad wieder flott machen. Und meinen Mann überreden, mit mir doch endlich einen Tanzkurs zu machen! Ich koche gern und freue mich jetzt schon aufs Ausprobieren von Rezepten aus aller Welt.
Aber vor allem freue ich mich auf die Zeit im Garten und die Gartenarbeit. Blumenzwiebeln sind bereits gesetzt. Jetzt warte ich auf den Frühling, und dass die bunte Blumenpracht die Köpfe aus dem dunklen Boden streckt. Im Sommer sind dann die Stauden dran… (und der erste Muskelkater vom Bücken).
Ich freu mich auf die Rentenzeit und habe das Gefühl, dass ich noch unendlich Kraft habe und sehr neugierig bin auf neue Abenteuer und neue Menschen in einer neuen Stadt.
Auf Wiedersehen sagt
Ihre
Sabine Stickforth ■