Kinderbuch-Klassiker wird 100

Veganer Fuchs in der „Häschenschule“: Muss DAS denn wirklich sein?

Das große Jubiläum des Buchs wird auch mit einer Neuauflage von Komikerin Anke Engelke gefeiert. Doch die gefällt nicht jedem.

Teilen
In einer neuen Version der Häschenschule ist der Fuchs Veganer - und die Bauern sind die Bösen. Das sorgte schon für heftige Kritik.
In einer neuen Version der Häschenschule ist der Fuchs Veganer - und die Bauern sind die Bösen. Das sorgte schon für heftige Kritik.Hendrik Schmidt/dpa

Es gibt einen Bereich unseres Lebens, aus dem Tiere nicht wegzudenken sind: Kinderbücher! Ob nun die kleine Maus Minnie, Doktor Brumm oder der Rabe Socke: Hübsch gezeichnete Bilder von Tieren verzaubern Groß und Klein. Ein besonders beliebtes Kinderbuch steht gerade eher negativ im Fokus – und das ausgerechnet zum 100. Jubiläum: „Die Häschenschule“ erhitzt die Gemüter, weil Komikerin Anke Engelke eine Neuinterpretation des Klassikers gewagt hat. Aber: Ist das wirklich so wild?

Das Kinderbuch „Die Häschenschule“ ist ein echter Klassiker – und wird 100 Jahre alt

„Die Häschenschule“, erdacht von Albert Sixtus, ist ein Klassiker. Sixtus war Lehrer in Kirchberg bei Zwickau, schrieb die Geschichte im Jahr 1922 auf. Erst zwei Jahre später wurde sie veröffentlicht – der Rest ist ein Stück Literaturgeschichte: Generationen von Menschen sind mit den Versen aufgewachsen. Doch vieles, was die Jahre überdauert hat, wird auf den Prüfstand gestellt, auch die Geschichte der kleinen Häschen.

Zum Jubiläum hat sich Komikerin Anke Engelke an eine neue Version der Häschenschule gewagt – und heraus kam ein Buch, das viele überrascht haben dürfte. In der Variante ist der Fuchs ein Veganer, freundet sich mit den Häschen an. Der Feind ist der Mensch: Bei einem Ausflug kommen die Schüler der Häschenschule an einem Feld vorbei, finden einen Schädel und ein Schild „Achtung Gift“. Die alte Häschenschule sei etwas überholt, ein bisschen altbacken und unmodern, erklärte Engelke. In ihrer Fassung gehe es um Diversität, Humor, Offenheit und Respekt.

Die Reaktionen darauf fallen empört aus. Etwa von Seiten der Landwirte. „Bauern vergiften die Umwelt, Jäger schießen süße Tiere tot und Mähdrescher sind gefährliches Teufelszeug“, schrieb das Portal „Agrar Heute“. Und ein Landwirt monierte auf Facebook, das Buch stelle Landwirte als „Jäger, Tier- und Menschenmörder, als Vergifter aller Tiere, Menschen, Böden, Flüsse“ dar. Noch dazu wird bemängelt, dass der Fuchs im Buch ein veganer ist. Fortschritt in allen Ehren: Verzerrt diese Behauptung die Realität? Und vermittelt sie den kleinen Lesern falsches Wissen?

Das Kinderbuch Die Häschenschule hat Generationen von Kindern begleitet - nun wird es 100 Jahre alt.
Das Kinderbuch Die Häschenschule hat Generationen von Kindern begleitet - nun wird es 100 Jahre alt.Hendrik Schmidt/dpa

Was von dem neuen Buch zu halten ist: Ich gebe ehrlich zu, dass ich es noch nicht weiß. Umso mehr interessiert mich Ihre Meinung - schreiben Sie mir eine Mail an wirvonhier@berlinerverlag.com! Ich verehre Anke Engelke und bin ein Fan davon, auch Althergebrachtes auf Aktualität zu prüfen, Begriffe aus unserem Sprachschatz zu streichen und Dinge, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind, zu überarbeiten. Nur: Wo fängt man an, wo hört man auf? Dass der Rohrstock aus dem Buch verschwunden ist – prima. Dass nun ein Fuchs-Kind in der Hasenschule sitzt und die Feindschaft der Tiere beendet wird – wunderbar. Dass Rollenbilder geprüft werden – super.

Muss der Fuchs im Kinderbuch „Die Häschenschule“ wirklich Veganer sein?

Andere Dinge finde ich aber auch nicht optimal. Muss der Fuchs Veganer sein? Immer wieder wird darüber gewitzelt, dass Stadtkinder angeblich nicht wissen, dass Kühe gar nicht lila sind. Wenn ihnen aber falsche Tatsachen schon in Kinderbüchern vermittelt werden, kann sich darüber niemand beschweren. Auch der Gedanke, dass Menschen zu Feinden der Natur werden, ist nachvollziehbar. Nur: Müssen es die Landwirte sein, die zum Buhmann gemacht werden? Der Berufsstand, der für unsere Ernährung sorgt?

Stattdessen hätte sich Anke Engelke mal die Wanderer vornehmen können, über deren Müll die Häschen bei ihrem Ausflug steigen müssen – und jene, die trotz Sommer im Wald rauchen. Oder die Autofahrer, die mit ihren Wagen über die Landstraßen brettern, trotz Warnschildern vor Wildwechsel – ein überfahrenes Häschen wäre sicherlich auch für die Zeichnerin eine neue Herausforderung gewesen. Und ja, vielleicht auch die kleinen Menschenkinder, die schreiend durch den Wald laufen, so laut, dass sich die kleinen Häschen schrecklich fürchten. Und die den Häschen an den Ohren ziehen, weil sie keinen Respekt mehr vor der Natur haben.

Florian Thalmann schreibt jeden Mittwoch im KURIER über Tiere.
Kontakt per Mail: wirvonhier@berlinerverlag.com