„Wir im Osten“

Mit viel Hoffnung tanzte ich in das Schicksalsjahr des Ostens hinein

Unser Autor begrüßte bei einem Tanz auf der Straße 2024. Dabei blickte er mit großer Sorge auf die Zukunft. 

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Wie dieses Paar auf der Straße tanzte auch unser Autor mit seiner Frau in Potsdam in das neue Jahr hinein – mit viel Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.
Wie dieses Paar auf der Straße tanzte auch unser Autor mit seiner Frau in Potsdam in das neue Jahr hinein – mit viel Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.ingimage/imago

Das neue Jahr hat kaum begonnen, da blicke ich schon zurück. Auf die vergangene Neujahrsnacht, bei der man den Eindruck hatte, als wollten die Menschen mit ihrem massenhaft gekauften Knallzeug alles in die Luft jagen. Die Bilder von böllernden Knallköppen, die etwa in Berlin oder in Leipzig für Krawalle sorgten, stimmten mich traurig. Muss man denn so in ein neues Jahr starten, von dem man sich Freude, Glück und vor allem eine friedliche Zukunft erhofft?

Nun gut, ich habe nichts gegen ein Feuerwerk zum Jahreswechsel. Auch mein Sohn und seine Freundin haben mit uns ein paar Raketen in den Himmel geschossen – verbunden mit ein paar guten Wünschen für 2024. Dabei wollte ich es eigentlich schon belassen. Zum Feiern war ich irgendwie nicht in Stimmung. Doch dann rief uns kurz nach Mitternacht eine Freundin an, die nur ein paar Meter hinter der Berliner Stadtgrenze wohnt, doch zu ihr nach Potsdam zu kommen.

Auf einer Nebenstraße feierten dort die Menschen im Osten. Sie tanzten auf der Straße zu der Musik, die aus einer Box kam, während in der Ferne das Feuerwerk krachend weiterging. Meine Frau und ich reihten uns ein. Umschlungen tanzten wir alle voller Hoffnung in das neue Jahr hinein.

Die Menschheit braucht Hoffnung. Denn auch im neuen Jahr gehen alte Kriege weiter, in der Ukraine oder im Nahen Osten. Und selbst vor der eigenen Haustür ist der soziale Friede in Gefahr, vor allem, wenn ich da an unsere Heimatregion denke.

Denn 2024 wird zum Schicksalsjahr der Menschen im Osten. Im September werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landesregierungen gewählt. Glaubt man den bisherigen Umfragen, könnte in allen drei ostdeutschen Bundesländern erstmals die AfD die stärkste Kraft werden und sogar die dortigen Ministerpräsidenten stellen, sollten die Prognosen der Experten wahr werden. Was für Folgen dieser mögliche Wahlerfolg haben könnte, beunruhigt und beschäftigt nicht nur mich, sondern viele Menschen in unserem Land. Ich kann nur hoffen, dass die Wähler im Osten den Ernst der Lage erkennen.

Das Ziel für die Landtagswahlen im Osten: „Wir stellen die Machtfrage! 2024“, hieß es im November beim Landesparteitag der AfD in Thüringen.
Das Ziel für die Landtagswahlen im Osten: „Wir stellen die Machtfrage! 2024“, hieß es im November beim Landesparteitag der AfD in Thüringen.Martin Schutt/dpa

2024: Mit großer Sorge schaue auf die Zukunft unserer Heimat

Schaut man auf die chaotische Politik der Bundesregierung, die es noch immer nicht versteht, auf die Sorgen und Nöte der Menschen in Krisenzeiten einzugehen, wundert es mich nicht, dass Extremisten vom rechten und auch vom linken Spektrum immer mehr Gehör bei der Bevölkerung finden. Viel Zeit bleibt da den Herrschaften in der Ampel-Koalition nicht, um da ernsthaft gegenzusteuern.

Sie tun es auch nicht wirklich. Stattdessen werden neue Debatten aufgeworfen, die einen noch mehr beunruhigen. So schaue ich voller Sorge auf die Zukunft unserer Kinder, wenn Politiker von einstigen Friedensparteien nun ernsthaft darüber sprechen, ob man in Deutschland wieder die Wehrpflicht einführen sollte.

Dass möglicherweise mein volljähriger Sohn genauso wie ich einst in der DDR eine Waffe in die Hand nehmen muss – davor habe ich ehrlich gesagt große Angst. Ich habe immer gehofft, dass das nie passieren würde. Und nun droht die Gefahr, dass in unserem Land wieder junge Männer und sogar Frauen in die Armee müssen, um angeblich den Frieden zu sichern. Solche Sprüche gab es im Osten schon einmal.

Bleibt da nur noch die Kraft der Hoffnung, die uns die Angst vor der Zukunft nimmt. Man kann mich ja für naiv halten. Aber vielleicht hilft ja so ein Tanz in der Neujahrsnacht, dass die Welt im neuen Jahr doch noch ein wenig friedlicher wird. Dass dies wahr werde, wünsche ich uns allen für 2024!

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com