Kolumne „Wir im Osten“

Ostpro-Urgestein fehlt: Der Mann mit dem DDR-Allerlei ist nicht mehr da

Unser Autor erinnert an den Berliner Peter Hentze, die Händler-Legende auf der Ostprodukte-Messe.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Mit Schürze, Quirlen und Einkaufsnetzen: Seit 2010 bot Peter Hentze das bunte DDR-Allerlei auf der Ostpro an. 
Mit Schürze, Quirlen und Einkaufsnetzen: Seit 2010 bot Peter Hentze das bunte DDR-Allerlei auf der Ostpro an. Volkmar Otto

Der Frühling zeigt sich in seiner vollen Blütenpracht, da lohnt es sich wieder, hinaus nach Karlshorst zu ziehen. Denn dort auf der Trabrennbahn präsentiert sich ab heute (19. April) bis zum Sonntag wieder das Gute aus dem Osten auf der alljährlich stattfindenden Frühjahrsausgabe der Ostpro (tgl. 10–17 Uhr, Eintritt 2 Euro).

Den Kennern braucht man ja nicht groß zu erklären, was die Ostprodukte-Schau ist, die seit drei Jahrzehnten Schmackhaftes aus der einstigen DDR anbietet. 60 Händler werden an diesem Wochenende ihre Produkte anbieten.

Nach langer Zeit ist sogar die Magdeburger Kaffeemanufaktur Röstfein dabei. Und als Senfliebhaber freue ich mich sehr darauf, dass auch die Erfurter mit ihrem Thüringer Born-Senf einmal wieder den Weg nach Berlin gefunden haben.

Trotz der Freude und der frohen Erwartung, was die Händler alles so auftischen werden, wird mein Ostpro-Besuch dieses Mal nicht mehr so wie in den vergangenen Jahren sein. Ein wenig Trauer mischt sich mit hinein. Denn mein Lieblingsaussteller Peter Hentze ist nicht mehr da.

Stammgäste der Messe werden mit Sicherheit das Ostpro-Urgestein kennen. Der Mann, der jahrelang auf seinen Warentischen das bunte DDR-Allerlei anbot. Vom Seifennetz, bis Einkaufsbeutel über Nähzubehör und Küchenutensilien: Was einst der Osten an nützlichem Kleinkram produzierte, das hatte Peter Hentze kistenweise zur Messe herangekarrt.

Gedränge am Stand mit Haushalts- und Kurzwaren von Peter Hentze: Bei ihm zu kaufen, war für die Ostpro-Besucher ein Muss.
Gedränge am Stand mit Haushalts- und Kurzwaren von Peter Hentze: Bei ihm zu kaufen, war für die Ostpro-Besucher ein Muss.Thomas Uhlemann/Berliner KURIER

Ostpro in Berlin: Urgestein Peter Hentze wird allen fehlen

Ein „gibt es nicht“, gab es nie bei ihm. Hentze wusste, was seine Kundschaft an Vergangenem aus der DDR liebte, schätzte und brauchte.

Kein Wunder, dass die Ostpro-Besucher an seinem Stand stets in der berühmten Warteschlange standen, immer etwas Nützliches zum kleinen Preis fanden und zufrieden nach Hause gingen. Ob es nun die „Sturmklammern“ zum Befestigen der Balkontischdecken (zehn Stück für einen Euro), Küchenquirle aus Holz, Bürsten oder der Kirschentkerner „Made in GDR“ waren. Hentze hatte es.

Ach ja, der Kirschentkerner: Wenn ich Peter Hentze bei meinen Ostpro-Besuchen traf, sprach er mich stets zu diesem Haushaltswunder an, das ein einfaches Ding mit einer Metallspitze, zum Entfernen der Kirschkerne, und einem Holzgriff war. Es muss ja nicht immer ein hochmodernes Gerät sein, manchmal reichen auch die kleinen und einfachen Dinge des Lebens, sagt er dann.

Der legendäre Kirchsteinentferner aus der DDR: Ostpro-Händler Peter Hentze hatte ihn.
Der legendäre Kirchsteinentferner aus der DDR: Ostpro-Händler Peter Hentze hatte ihn.Ebay

Zu jedem seiner DDR-Artikel konnte Hentze Geschichten erzählen. Und nebenbei erfuhr ich so einiges aus seinem Leben. Hentze lebte in Mahlsdorf, war einmal, wenn ich mich richtig erinnere, sogar Ingenieur. Seine DDR-Haushaltsschätze, die er als Händler auf der Ostpro und auf Wochenmärkten anbot, bekam er von kleinen Firmen. Eine ganze Garage hatte Hentze davon voll und freute sich, dass es diese Sachen noch gab.

Mit dem alten Herren, der sich gerne mit einer Schürze als echter Hausmann an seinem Stand zeigte, hätte man stundenlang plaudern können. Auch über die Geschichte der Ostpro, bei der er seit 2010 seine Schätze verkaufte und die Messe noch erlebte, als sie im Velodrom und im SEZ zu Gast war.

Doch meist fehlte die Zeit für lange Gespräche. Hentze musste seine Kunden weiter bedienen und ich meine Geschichten schreiben.

Ostpro-Star Peter Hentze: Sein Abschied kam ganz leise

Peter Hentze und seine bunte DDR-Welt auf der Ostpro
Peter Hentze und seine bunte DDR-Welt auf der OstproGerd Engelsmann

Bis 80 wollte er dabei sein. Doch Hentze kam noch, als er das Alter längst erreicht hatte. Trotz überstandener Corona-Krankheit war er 2022 auf der Ostpro, wollte seine wertvolle Ware in guten Händen wissen. Vergangenes Jahr fehlte er schon, ihm ging es gesundheitlich nicht mehr so gut. Aber ich hoffte auf ein Wiedersehen.

Doch nun hat sich das Ostpro-Urgestein wirklich ganz leise für immer von der Messe verabschiedet. Anfang des Jahres ist Peter Hentze gestorben, erfuhr ich jetzt von Ostpro-Chefin Ramona Oteiza. „Er wird uns allen fehlen“, sagte sie traurig am Telefon. Ja, mir auch.

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com