Wer oder was ist ostdeutsch, und was verbirgt sich dahinter? Diese Frage höre ich seit der deutschen Wiedervereinigung und bekomme sie seitdem auch selbst ständig gestellt. Ist ostdeutsch sein etwa, wer in der DDR geboren wurde, dort aufgewachsen ist und immer noch an diesem Staat hängt? Oder wer noch immer das Sandmännchen verehrt?
Nun wollen Berliner Forscher des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung in einer Studie klären, was ostdeutsch ist – und fordern eine bundesweite Diskussion darüber. Als ich das las, hatte ich das Gefühl, als wollte man uns Ostdeutsche jetzt wie eine Laborratte auseinandernehmen, um auf den Kern unserer Ost-Seele zu kommen. Ich finde das ehrlich gesagt recht widerlich.
Was ist aber nun ostdeutsch? Typisch ostdeutsch ist für mich etwas Regionales. Wie die Menschen, die im Osten Deutschlands leben, ihre Heimat lieben und daher sich mit ihr stark verbunden fühlen – und das auch laut sagen. Genau wie der Bayer, der Schwabe, der Hamburger. Und die das lieben, was aus ihrer Heimat kommt und dort hergestellt wird.
Genau das tun auch Sachsen, Brandenburger, Thüringer und Berliner. Für sie ist ostdeutsch sein vor allem eine Frage des guten Geschmacks.

Typisch ostdeutsch sein: Das ist auch eine Frage des guten Geschmacks
Den findet man in diesen Tagen in Berlin-Karlshorst auf der Trabrennbahn. Dort startet ab dem heutigen Freitag wieder die Ostpro, die Messe für Ostprodukte, die bis zum Sonntag läuft. Über 60 Händler und Aussteller haben sich angekündigt, um in der Tribünenhalle der Trabrennbahn und auf der Freifläche ihre Erzeugnisse aus ostdeutschen Landen zu präsentieren.
Zum Angebot gehören neben vielen Köstlichkeiten des Ostens auch Spielzeug, Kosmetika oder Haushaltswaren, die einst in der DDR beliebt waren und die es heute noch gibt. Und wir werden natürlich die Klassiker wie Kathi-Backmischungen, Rotstern-Schokoladen oder die beliebten Sandmann-Figuren an den Ständen wiedersehen.

Typisch ostdeutsch bedeutet für mich aber auch die Standhaftigkeit der Menschen aus unserer Heimat, die einfach nicht die Flinte ins Korn werfen, wenn es im Leben mal nicht so läuft, sondern aufstehen und etwas Neues wagen, wenn das Alte nicht mehr funktioniert.
Das beste Beispiel dafür ist die Ostpro-Chefin Ramona Oteiza (65), die seit über 30 Jahren die Messe präsentiert. Auch ihr Leben sah anders aus, als es die DDR nicht mehr gab. Wie viele Zehntausende Menschen hatte auch sie ihren Job nach der deutschen Wiedervereinigung verloren, weil über Nacht die DDR-Betriebe abgewickelt wurden.

Ramona Oteiza gab nicht klein bei. Anfang der 90er-Jahre, als alles verloren schien, hatte sie die Idee von einer Messe für Ostprodukte, um das den Menschen wiederzugeben, was es plötzlich nicht mehr gab. Und sie gab den Herstellern die Chance, ihre einst beliebten Produkte wieder an den Markt zu bringen. Die Frau zog mit viel Energie und Mut ihr Ding durch – mit Erfolg, wie man heute sehen kann. Ähnliche Geschichten werden mit Sicherheit auch die Händler und Aussteller erzählen können.
Vielleicht sollten die Berliner Studien-Forscher an diesem Wochenende mal in Karlshorst vorbeischauen. Denn dort finden sie garantiert die Antwort darauf, was typisch ostdeutsch sein kann. Die Ostpro hat vom 27. bis 29. Oktober von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 2 Euro.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■