Wissen Sie, früher als Kind hatte ich noch viel Zeit zum Lesen. Vor allem die Abenteuerbücher von Jules Verne, Jack London oder Alexandre Dumas habe ich regelrecht verschlungen. Zu den Werken, die ich immer wieder mit Faszination las, gehörte auch „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson. Und so eine Schatzinsel gab es für mich nicht nur in dem Buch – sondern auch in der Realität.
Ich meine die Museumsinsel im Herzen Berlins. Und dort muss ich jetzt unbedingt wieder hin. Denn die Museumsinsel beherbergt einen der größten Schätze im Osten unseres Landes, der nun zum Teil für längere Zeit aus der Öffentlichkeit verschwinden wird. Dazu gehört auch das weltberühmte Ischtar-Tor, das sich im Pergamonmuseum befindet, welches ab dem 23. Oktober wegen umfangreicher Bau- und Sanierungsarbeiten für Jahre schließen wird.
Daher werde ich an diesem Wochenende, wie viele Berliner und Touristen, die vorerst letzte Möglichkeit haben, die heiligen Hallen dieser Schatzkammer betreten zu dürfen, um das Ischtar-Tor, ein mit Löwen-Reliefs verziertes Stadttor aus dem alten Babylon, und andere Schätze aus längst vergangenen Zeiten, wie die Prozessionsstraße oder das Markttor von Milet, noch einmal bestaunen zu dürfen.

Besuch im Pergamonmuseum: Die Chancen stehen schlecht
Doch die Chancen für eine Besichtigung stehen mehr als schlecht, obwohl das Museum am Sonnabend und Sonntag sogar von 9 bis 21 Uhr geöffnet hat. Wie mir berichtet wurde, steht am Eingang schon seit Tagen ein Schild, auf dem „Wir haben keine Tickets für das Pergamonmuseum mehr im Angebot“ zu lesen ist, und das meine Hoffnungen nun zunichtemacht. Selbst Tickets im Online-Verkauf seien nicht mehr zu haben. Die vorgesehenen Zeitfenster sind wegen des enormen Besucherandrangs seit Tagen offenbar ausgebucht.
Jammern hilft da wenig. Schließlich hätte ich es ja wissen müssen, wie schwer es sein wird, noch in das Pergamonmuseum zu kommen. Immer wieder habe ich diesen Besuch im Vorfeld verschoben. Habe ja noch viel Zeit, dachte ich mir, die ich nun nicht mehr habe.

Dabei hatte mich mein Vater noch rechtzeitig gewarnt, mit dem ich in meiner Kindheit oft stundenlang auf „meiner Schatzinsel“ im Pergamonmuseum war, obwohl ich mir damals auch gerne die ägyptischen Mumien im Bode-Museum angeschaut hätte, das bei unseren Ausflugstagen zur Museumsinsel überraschenderweise immer geschlossen hatte.
Mein Vater hatte es nach seiner „Warnung“ noch ins Pergamonmuseum geschafft, dank meiner Hilfe. Denn ihm hatte ich im September noch ein Online-Ticket für den Oktober besorgt. Nur an mich habe ich dabei nicht gedacht. Wie gesagt, ich meinte ja, man hätte noch viel Zeit …
Nun muss ich mich wohl gedulden. Denn nach umfangreichen Bauarbeiten wird das Pergamonmuseum erst wieder im Jahr 2027 teilweise öffnen. Dann werde ich zumindest den Pergamonaltar sehen, der ja schon seit Jahren wegen der Umbauten nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich war. Beim Ischtar-Tor werden wir alle noch länger warten müssen. Dieses soll mit den Sammlungen des Vorderasiatischen Museums wohl erst wieder 2037 zu sehen sein.
Bis dahin werde ich andere Ausstellungen bewundern. Museen hat ja Berlin zum Glück mehr als genug.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
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