„Wir im Osten“

Ost-Klassiker Broiler: Wie ein Ami-Hähnchen die DDR eroberte

Es besteht Aufklärungsbedarf, woher das beliebte Gericht der Ostdeutschen wirklich kommt. Unser Autor forschte nach.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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In einem Dresdener Stadtteil wird für den Goldbroiler geworben (1985). Kaum einer ahnte, dass das Brathähnchen eine US-Erfindung war.
In einem Dresdener Stadtteil wird für den Goldbroiler geworben (1985). Kaum einer ahnte, dass das Brathähnchen eine US-Erfindung war.Bernd Friedel/imago

Wundern Sie sich bitte nicht, dass ich Ihnen heute wieder mit dem Broiler komme. Mein Lieblingsgericht ist er wahrlich nicht. Aber ich muss bei Ihnen eine Schuld einlösen. Wie Sie sich vielleicht noch erinnern, hatte ich vor Kurzem an dieser Stelle mich über heutige Modewörter im Zusammenhang mit dem Broiler ausgelassen. Doch woher der aus dem Englisch stammende Begriff nun in der DDR für das Brathähnchen kam, hatte ich nicht verraten. Denn der Broiler ist kein „Ossi“ – sondern, man lese und staune, ein Ami!

Ein Leser, der sich offenbar mit der Geflügelzucht beschäftigte, hatte mir geschrieben, dass es den Broiler bereits in den 1930er-Jahren in den USA gab. Glaubt man anderen Berichten, erblickte der Begriff Broiler sogar schon im 19. Jahrhundert im fernen Amerika das Licht der Welt. So bezeichnete man angeblich in den USA um 1880 junge Hühnchen oder Hähnchen, die besonders fleischhaltig waren und sich daher gut zum Braten oder Grillen („to broil“ – daher Broiler) eigneten. In den 1950er-Jahren soll in Amerika die Broiler-Industrie so richtig geboomt haben.

In meinem BI-Handlexikon aus DDR-Zeiten, das 1982 vom Bibliographischen Institut Leipzig herausgebracht wurde, steht unter „Broiler“: „Jungmasttiere beiderlei Geschlechts bei Hühnern … mit intensivem Wachstum, hohem Fleischertrag und geringem Futteraufwand.“ Klar, dass man solche Superhühner auch in der DDR haben und züchten wollte. Doch wie kam das Ami-Huhn nun in den Osten?

Ein schöner Broiler landet heute noch in einigen Lokalen auf dem Teller.
Ein schöner Broiler landet heute noch in einigen Lokalen auf dem Teller.Fotoagentur Nordlicht/imago

Der Broiler ist ein Ami: Drei Versionen, wie er in die DDR kam

Mindestens drei verschiedene Geschichten fand ich dazu. In der ersten wird erzählt, dass man in den 1960er-Jahren im Ostblock versuchte, das Ami-Huhn nachzuzüchten. Da dies offenbar nicht gelang, wurden nun die ersten Tiere aus den USA über Bulgarien in den Osten importiert. Und so kam der Broiler in die DDR. Glaubt man der zweiten Geschichte, hatte Staatschef Walter Ulbricht zu jener Zeit eine Broiler-Mastfabrik nach amerikanischen Vorbild in Jugoslawien besucht und so die Zucht-Lizenzen für die DDR erworben.

Laut Definition sind Broiler Hühner mit intensivem Wachstum, hohem Fleischertrag und geringem Futteraufwand.  
Laut Definition sind Broiler Hühner mit intensivem Wachstum, hohem Fleischertrag und geringem Futteraufwand. Pond5 Images/imago

Ich vermute, dass die dritte Version der Geschichte eher zutrifft. Demnach gelang es einem  bulgarischen Geflügelzuchtbetrieb in den 1960er-Jahren, ein Hähnchen auf den Markt zu bringen, dass innerhalb von zehn Wochen stolze 1,5 Kilogramm auf die Waage brachte und genau dem US-Vorbild entsprach. In Anlehnung an den amerikanischen Vorbild nannte man das Produkt auch Broiler. Und diese Mastzucht übernahm die DDR samt Namen – möglicherweise, um so diese Brathähnchen auch im Westen vermarkten zu können.

Und nicht nur wir Ostdeutschen sagen seit dem zum Brathähnchen Broiler. Auch in Finnland gibt es diese Bezeichnung. Egal, auf welchen Weg der Broiler nun in die DDR kam: Fakt ist, dass der Begriff oder Markenname keine ostdeutsche Wortschöpfung ist, wie so viele heute noch glauben.

Auf jeden Fall scheint er zu schmecken. Und vielleicht werde ich mir nach langer Zeit einmal wieder einen Broiler gönnen, auch wenn er, wie gesagt, nicht zu meinen Lieblingsgerichten gehört. Möglicherweise haben Sie ja sogar ein tolles Rezept. Ich bin gespannt auf Ihre Post!

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com