Kolumne „Wir ♥ Tiere“

Jung, unerfahren und verpeilt: Doch dieser Storch klappert schon wie die Großen

Im Naturkundezentrum Spreeaue hat sich unsere Autorin nach einem ganz besonderen Weißstorch erkundigt.

Author - Claudia Pietsch
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Dieser junge Storch in Dissen, Landkreis Spree-Neiße,  ist wohl noch etwas „verpeilt“.
Dieser junge Storch in Dissen, Landkreis Spree-Neiße, ist wohl noch etwas „verpeilt“.Albrecht Hanke

Jung, unerfahren und unordentlich – aber eine ganz große Klappe. Die Rede ist hier nicht von einem ungelenken Teenager aus der Nachbarschaft, sondern es geht um einen besonderen Weißstorch. Der Vogel, der Schmiedestorch genannt wird, sorgt in seinem Sommerquartier im brandenburgischen Storchen- und Museumsdorf Dissen-Striesow dieser Tage für allerlei Aufregung. Manche nennen den Vogel auch verhaltensauffällig.

Schmiedestorch wird er genannt, weil er ein Nest nahe der alten Dorfschmiede bewohnt. Erstmals gehört habe ich von ihm beim RBB-Radiosender Antenne Brandenburg. Mit Vergnügen lauschte ich während einer Autofahrt, was der Reporter über den unangepassten Storch im südlich von Berlin gelegenen Landkreis Spree-Neiße zu berichten hatte. Der Vogel sei ohne Angst, faul und auch etwas bequem, hieß es in dem Beitrag. Eine Dorfbewohnerin bezichtigte ihn wegen seiner unvorhersehbaren Sturzflüge gar der Hinterlist. Der ortsansässige Storchenexperte aber nimmt den Schmiedestorch in Schutz.

Der Schmiedestorch fegt in nur zwei Metern Höhe über die Dorfstraße

Weil ich neugierig auf diesen Vogel mit dem ausgeprägten Charakter geworden bin, rufe ich den Experten an. Albrecht Hanke, Vizevorsitzender des Vereins Naturkundezentrum Spreeaue, gibt mir bereitwillig Auskunft. „Manchmal fegt der Schmiedestorch bei der Suche nach Nahrung in nur zwei Metern Höhe über die Dorfstraße“, berichtet er. Da könne man als Autofahrerin oder Passant schon mal aus der Fassung geraten. Schließlich sind Weißstörche große, imposante Vögel mit einer Flügelspannweite von bis zu zwei Metern. Als Grund für das angriffslustig wirkende Verhalten sieht Hanke, dass „der junge Storch noch etwas verpeilt ist“.  

„In der Brutzeit ist er testosterongesteuert und muss erst noch viele Erfahrungen für sein erwachsenes Storchenleben sammeln“, erklärt Hanke. Angst kenne der Schmiedestorch, der sich im vergangenen Jahr erstmals in Dissen niederließ, nicht. Allerdings sei der Draufgänger noch etwas ungeschickt. Das erkennt Hanke daran, dass der Schmiedestorch emsig „besonders große Äste und Stöcke für den Nestbau sammelt“. Die allerdings bekomme er dann auf dem Horst nicht wirklich ordentlich zusammengezimmert. Deshalb sehe sein Nest auch nicht so prachtvoll und fein sortiert aus, wie das seiner Artgenossen. Immerhin 19 Storchenhorste gibt es im Dorf, in zwölf von ihnen wird gebrütet. Ein Storchenparadies, auf das die Dorfbewohner stolz sind. 

Der Schmiedestorch erwartet bald Nachwuchs

Auch der Schmiedestorch bebrütet in diesen Wochen mit einer Partnerin Eier in seinem etwas schlampig zusammengefügten Nest und klappert dabei selbstbewusst. Sein erster Fortpflanzungsversuch im vergangenen Jahr blieb noch erfolglos. Jetzt geht Hanke davon aus, dass in dem Horst „in wenigen Tagen ein erstes Vogelköpfchen zu sehen ist“. Vielleicht wird der Storchenvater mit der wachsenden Verantwortung dann etwas weniger wagemutig durch die Lüfte segeln. Doch auch in diesem Fall bleiben Hanke und seine Mitstreiter vom Verein bei ihrer Idee: In Anlehnung an das Verkehrszeichen „Achtung Flugbetrieb!“ soll am Ortseingang bald ein Schild mit der Silhouette eines fliegenden Storches stehen. Auf dass sich kein Besucher mehr vor dem tollkühnen Rabauken erschrecken muss.  

Weitere Informationen gibt es beim Naturkundezentrum Spreeaue.

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten und manchmal auch in Vertretung für Florian Thalmann am Mittwoch über Tiere. Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■