Kolumne „Wir von hier“

„Jugendliebe“: Für viele ist das mehr als nur ein Ost-Hit

Sängerin Ute Freudenberg beendet in diesem Jahr ihre Karriere, unsere Autorin ist darüber betrübt

Author - Claudia Pietsch
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Jugendliche stehen im Jahr 1989 für Karten für eine Diskothek an. Gespielt wurde im Laufe des Abends bestimmt auch der Schmuse-Hit „Jugendliebe“ von Ute Freudenberg, der 1980 veröffentlicht wurde. 
Jugendliche stehen im Jahr 1989 für Karten für eine Diskothek an. Gespielt wurde im Laufe des Abends bestimmt auch der Schmuse-Hit „Jugendliebe“ von Ute Freudenberg, der 1980 veröffentlicht wurde. stock&people/imago

Eine Diskothek, irgendwann Anfang der 80er-Jahre in Ost-Berlin. Es wird heftig abgerockt. Die staatliche Auflage, mindestens 60 Prozent Ost- und nur 40 Prozent Westmusik zu spielen, wird höchstens als Empfehlung betrachtet. Zu sehr verlangt das Publikum nach den Hits, die es aus dem Westradio oder von den unter der Hand erworbenen Schallplatten kennt. Nachdem die Bässe so richtig gedröhnt haben und die Haare kräftig geschüttelt wurden, kündigt der Discjockey eine langsame Runde an. Und in der liegt ganz sicher – ohne Zwang –  dieser DDR-Hit auf dem Plattenteller: „Jugendliebe“ von Ute Freudenberg. Viele haben bei diesem Song ihren ersten Kuss erlebt – oder ihn zumindest erträumt. Selbst so erlebt und von Freunden erzählt bekommen. Erinnerungen, die vielleicht in aufregenden Zeiten kurzzeitig verblassen, dann aber umso deutlicher wiederkehren.    

„Viele Jahre sind seit damals schon vergangen“

Viele Jahre sind seit damals schon vergangen, um im Liedtext zu bleiben. Sängerin Ute Freudenberg ist inzwischen 67 Jahre alt. Ihre Karriere wird sie in diesem Jahr beenden. Offenbar auch wegen der Krankheit, über die sie das erste Mal im Jahr 2022 in einem MDR-Interview gesprochen hat. Sie muss mit der Diagnose Parkinson leben. Öffentlich spricht sie tapfer und optimistisch darüber, was das mit ihr macht:  „Wenn ich halt die vierfache Zeit brauche, um mich anzuziehen, dann ist es so, aber der Rest des Lebens ist schön, und das feiere ich.“

Ihren Bühnenabschied zum Ende 2023 hat Freudenberg schon mehrfach angekündigt. Nun tat sie es noch einmal – am vergangenen Freitag bei der Gala zur Verleihung des Medienpreises „Goldene Henne“ von Superillu und MDR. Vor großem Publikum bekräftigte sie in Leipzig, dass „Stark wie nie“ in diesem Jahr die letzte Tournee ihrer Karriere sein werde. Der letzte Vorhang soll am 22. Dezember in Erfurt fallen. Ein Heimspiel für die in Weimar geborene Thüringerin.

Das Lied bringt ein Gefühl zurück

Viele zwischen Fichtelberg und Kap Arkona (wie die DDR ihr Territorium einst selbst umschrieb) werden ob dieses Abschieds traurig sein. Ich bin es auch. Denn sollte es tatsächlich so etwas wie eine Ost-Identität geben, ist „Jugendliebe“ bei vielen sicher ein Teil davon. Bei mir sogar mehr als Rotkäppchen oder Kathi-Backmischung. Weil das Lied besser als ein Sekt oder Kuchenmehl das Gefühl zurückbringt, jung und verliebt zu sein. 

Ute Freudenberg bei der Verleihung des Medienpreises „Goldene Henne“. Ende dieses Jahres nimmt die Sängerin Abschied von der Bühne.  
Ute Freudenberg bei der Verleihung des Medienpreises „Goldene Henne“. Ende dieses Jahres nimmt die Sängerin Abschied von der Bühne. Hendrik Schmidt/dpa

Zwei der Termine von Freudenbergs letzter Tournee liegen in Berlin. Am 4. und 11. Dezember wird sie im Friedrichstadt-Palast ade sagen. Beide Konzerte sind ausverkauft. Es werden wohl viele von denen im Saal sein, die einst zu „Jugendliebe“ schmusten. Und sich vielleicht bestätigt fühlen, wenn Freudenberg in einem ihrer neueren Titel singt: „Herzen kriegen keine Falten, wir sind immer noch die Alten.“    

Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■