Kolumne „Wir im Netz“

„Hot Rodent Men“ – wie sexy Nagetier-Männer das Internet eroberten

Menschen im Netz finden, die attraktivsten Männer sehen aus wie Mäuse, Ratten und Capybaras. Aber der Trend hat inzwischen ein bizarres Eigenleben entwickelt.

Author - Jana Hollstein
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Mike Faist, Zendaya und Josh O’Connor bei der London-Premiere von „Challengers“
Mike Faist, Zendaya und Josh O’Connor bei der London-Premiere von „Challengers“Scott A Garfitt/Invision/AP

Trends für das Aussehen von Frauen kennt man zur Genüge: Sind gerade Kurven „in“ oder doch „Size Zero“, also komplett abgemagert? Doch Männer bekommen natürlich von unseren Schönheitsidealen auch was ab. Und wie, denken Sie, sollten Männer nach den Maßstäben der sozialen Medien heute aussehen? Welche Antwort Sie auch immer im Kopf haben, Sie liegen höchstwahrscheinlich falsch. Denn was das Internet momentan wirklich will, sind Männer, die wie Nagetiere aussehen.

Film „Challengers“ inspirierte das Internet zum Nagetier-Trend

„Hot Rodent Man“, also „heißer Nagetier-Mann“, ist der Begriff, der gerade in aller Munde ist. Angefangen hat es mit einem Film, der in Deutschland nicht ganz so bekannt geworden ist, im Internet aber ordentlich seine Runden gedreht hat: „Challengers“, eine Geschichte über ein Liebesdreieck zwischen Tennisspielern. Nach dem Kinostart kommentierten gleich mehrere Zuschauer: „Die Hauptdarsteller sehen aus wie Nagetiere, die sich von einer Fee gewünscht haben, zu Menschen zu werden“.

Diese Posts über die Hauptdarsteller eines im Netz ohnehin beliebten Films fanden viel Anklang, und bald hielt man Ausschau nach anderen Männern, die vielleicht so beschrieben werden könnten. Barry Keoghan, der mit dem Film „Saltburn“ viele weibliche Fans gewonnen hatte, sehe aus wie ein Capybara, meinten viele. In die Liste der Nagetier-Männer reihten sich auch Jeremy Allen White aus „The Bear“, Timothee Chalamet und sogar Harry Styles ein.

Mit seinen außergewöhnlichen Gesichtszügen erinnert Schauspieler Barry Keoghan viele an ein Capybara.
Mit seinen außergewöhnlichen Gesichtszügen erinnert Schauspieler Barry Keoghan viele an ein Capybara.AFP

Der „Hot Rodent Man“ ist der neue Frauenschwarm

Die Bezeichnung von Männern als „Hot Rodent Man“ ist eigentlich lieb gemeint, was man auch daran erkennen kann, dass die Nutzer, die bei einem bestimmten Mann die Ähnlichkeit zu einem Nagetier hervorheben, das häufig mit dem Zusatz machen: „Ich meine das im positivsten Sinne.“

Mit der Bezeichnung eines Mannes als „Hot Rodent Man“ ist auch immer irgendwie impliziert: Der macht nicht so einen auf Macho, der ist süß (eben wie ein Nager), bei dem kann ich mich sicher fühlen. Aber was als harmloser Spaß begann, um seinen berühmten Schwarm ein bisschen zu necken, schlägt inzwischen ein bisschen über die Stränge.

Die dunkle Seite des „Hot Rodent Man“: Ab wann ist es Mobbing?

Ich kann mir zum Beispiel gar nicht vorstellen, wie es ist, Josh O’Connor zu sein, einer der „Challengers“-Schauspieler, der zum Aushängeschild der „Hot Rodent Men“ geworden ist. Von dem, was ich mitbekommen habe, ist er nicht nur ein talentierter Schauspieler, sondern auch ein sehr schüchterner Mensch. Und der wird jetzt in den sozialen Medien und inzwischen auch in großen Zeitschriften herumgereicht nach dem Motto: „Guckt mal, auf welche komischen Männer Frauen stehen! Ist es nicht witzig, dass er aussieht wie eine Ratte?“ Was vielen dieser Menschen auch nicht in den Sinn kommt, ist zum Beispiel, dass O’Connor jüdisch ist und dass Juden von Antisemiten häufig als Ratten bezeichnet oder als solche dargestellt werden.

„Hot Rodent Men“ war als einzelner Tweet ein unterhaltsamer Witz. Aber er hätte niemals ein Eigenleben bekommen und zum Trend werden sollen. Es ist an der Zeit, den Nagetier-Mann in den Ruhestand zu verabschieden.

Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com