Kochsendungen sind ja etwas, das irgendwie nie aus der Mode kommt. Ob Alfred Biolek oder „Das perfekte Dinner“ – Zuschauer finden sich dafür immer. Und das Phänomen gibt es überall, wo es Fernsehen gibt. In Großbritannien kleben die Menschen bei dem jährlichen Backwettbewerb „The Great British Bake-Off“ vor der Mattscheibe. In den USA gibt es gefilmte Koch- und Backwettbewerbe zuhauf, mit großen Gewinnen und großen Emotionen.
Essen muss eben jeder, in der Küche steht (so gut wie) jeder regelmäßig, wenn nicht mehrmals täglich, und deswegen hat bei Kochsendungen jeder Art jeder irgendwie das Gefühl, mitreden zu können. Die Faszination ist also quasi in uns eingebaut. Aber in den letzten Jahren und gerade im Zuge der Tendenz, dass Netflix und Co. sehr viel mehr Geld zur Verfügung stellen können, als alte Fernsehsendungen es je hatten, hat sich das ein bisschen gewandelt.
Klar gibt es noch viele von den klassischen Kochsendungen, aber als Streaminganbieter muss man eben immer noch einen draufsetzen, um die Zuschauer an sich zu binden. Und deswegen „reichen“ die Standard-Kochsendungen nicht mehr. Es wird immer mehr auf Sterneküche gesetzt.
Kochsendungen auf hohem Niveau: Es begann mit „Chef’s Table“
Angefangen hat es mit „Chef’s Table“, einer Netflix-Sendung, in der in jeder Folge ein renommierter Koch, meistens ein Sternekoch, begleitet wird, der seine Lebensgeschichte und seine Koch-Philosophie erzählt. Das ist alles optisch sehr schön und ansprechend aufbereitet. So sehr sogar, dass heutzutage jede Doku oder Reality-Sendung über Essen gefühlt aussieht wie eine Folge von „Chef’s Table“.
2022 wurde inspiriert davon sogar eine (meiner Meinung nach großartige) Horrorkomödie gedreht, die mit dem Konzept spielt und sich teilweise darüber lustig macht: „The Menu“ (zu sehen auf Disney+, eine unbedingte Empfehlung). Seitdem findet die Faszination mit der Sterneküche irgendwie keinen Abbruch. Gute Köche hatten innerhalb einer gewissen Szene schon immer Fans, aber durch die Faszination vonseiten der Streaming-Zuschauer sind sie auch darüber hinaus oft echte Stars.

Der Hype macht auch vor Deutschland nicht halt. Auf Amazon Prime gibt es jetzt eine Miniserie mit dem deutschen Star-Koch Tim Raue (über den es übrigens auch eine „Chef’s Table“-Folge gibt), der anderen Köchen dabei hilft, sich den ersten oder zweiten Michelin-Stern zu erkochen.
Die Koch-Fans sind unter uns
Und zuletzt, und mit dem derzeit größten Hype in den sozialen Medien, gibt es die Disney+-Serie „The Bear“, die einst einen wahren Ansturm auf die weißen T-Shirts des Berliner Labels Merz b. Schwanen auslöste und die ganz frisch in die dritte Staffel geht. Darin versucht ein ehemaliger Sternekoch aus dem heruntergekommenen Sandwichladen seines verstorbenen Bruders ein Sternelokal zu machen.
Wer nicht aus Interesse einschaltet oder auf Social Media unterwegs ist, den überrascht es vielleicht, wie beliebt das Thema seit Jahren ist. Manchmal bekommt man von außen dann die großen Hypes mit (wie das ominöse weiße T-Shirt), aber wer aufpasst, der weiß: Wenn es um gehobene Küche geht, dann wird immer eingeschaltet. Und nicht nur, weil das Thema spannend ist. Hier werden mit hohem Produktionsaufwand wirklich (fast still und heimlich) interessante Geschichten erzählt, die Kochkunst wird wertgeschätzt, aber es werden auch die Dynamik zwischen den Menschen in der Küche beleuchtet.
Kurz und gut: Es gibt es noch, das Rezept für richtig gutes Fernsehen. Es ist nur versteckt – in Kochsendungen.
Jana Hollstein schreibt immer dienstags für den KURIER über die große weite Welt des Internets. Mails an wirvonhier@berlinerverlag.com ■