Wenn ich in Brandenburg unterwegs bin, gehe ich gern zum Bäcker. Das verschafft mir die Illusion, ich würde in einer Landbäckerei einkaufen. Diese Vorstellung verlässt mich selbst dann nicht, wenn es mich bei meinen Touren durch die Mark in den Laden einer Bäckereikette verschlägt, die es in der Hauptstadt auch gibt. Mir bleibt dennoch das gute Gefühl, Brot und Brötchen seien irgendwie vom Land. Naturbelassen und gesund.
Bei Brandenburger Bäckern kann man auch gut einen kleinen Plausch halten. So kam ich unlängst etwa mit einer Frau hinterm Tresen jener Backkette, die gerade mit einer Insolvenz zu kämpfen hat, über ihre Sorgen ins Gespräch. Während sie mir ein Krustenbrot von der Maschine in Scheiben schneiden ließ, erzählte sie mir von ihrem Plan B, falls sie tatsächlich nicht bei der Kette bleiben könne. Immerhin soll ein Drittel der über 1600 Beschäftigten entlassen werden.
Schrippe, Knüppel und Co.
In einem Geschäft des Bäckers aus dem brandenburgischen Schwante, der schon mehrmals mit seinen Innovationen auf der Grünen Woche in Berlin für Furore sorgte, unterhielt ich mich vor geraumer Zeit über Schrippensorten und ihre Unterschiede. Seither weiß ich, wodurch sich ein Knüppel von einem sogenannten Handgedrückten unterscheidet.
Mit süßem Gebäck und Torten hingegen kenne ich mich nicht aus. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich so gar keine Kuchentante bin. Ein Brötchen mit „Bauarbeitermarmelade“ ziehe ich im Entscheidungsfall jedem Bienenstich oder Frankfurter Kranz vor.

Doch neulich wollte ich mit meiner Mutter Kuchen erwerben. Ihre Freundinnen hatten sich zum Nachmittagskaffee angesagt. Etwas Süßes musste her. Wegen des an diesem Tag herrschenden Glatteises gingen wir ins naheliegende, uns aber noch unbekannte Fachgeschäft.
Köstliche Auslagen in der Konditorei
Zunächst bewunderten wir köstlich wirkende Auslagen in der Vitrine des fast leeren Ladens. Weil wir die Kuchen nicht kannten, versuchten wir, die Verkäuferin zu deren Ingredienzien zu befragen. „Sind da Himbeeren drin? Ist diese Füllung mit Buttercreme? Können Sie diese Torte auch halbieren?“ Die Verkäuferin blickte uns mit heruntergezogenen Mundwinkeln an. Wir und unsere Fragerei waren ihr eindeutig zu viel. Oder vielleicht die Arbeit an sich, Weltschmerz oder große Sorgen daheim. Jedenfalls schien sie entschlossen, partout nicht preiszugeben, welche Zutaten in den Kuchen sind. Sie blaffte uns an:„ Ja, dis is Donauwelle“, „nee, Pudding is da nich bei“ und „is ohne Kirschen“. Meine Mutter schaute mich an, ich sie. Unisono sagten wir Danke zu der wundersamen Bäckersfrau und verließen den Laden mit einem freundlichen Tschüss. Offenbar sollte dieser Kuchen nicht verkauft werden.
Ich brachte meine Mutter auf immer glatter werdenden Straßen nach Hause und eilte zu einem anderen Bäcker. Die Verkäuferin war zugewandt. Sie erklärte mir mit Engelsgeduld auch die Zutaten des kleinsten Törtchens. Ich kaufte dann viel mehr Kuchen, als die Kaffeetanten und meine Mutter an einem Nachmittag essen konnten. Der Preis war dementsprechend. Ich hab ihn gern bezahlt.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
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