Heute muss ich meinem Ärger wirklich mal Luft machen. Es gibt ja viele Produkte, die wenig bis gar keinen Nutzen haben, eine ganz spezielle Flasche aber, die auf unseren Pankower Schulhöfen gerade gefühlt jeder Grundschüler haben will, setzt dem Konsum-Wahnsinn die Krone auf.
Von vorn: Neulich kam mein Sohn aus der Schule und erzählte beiläufig, dass der Max jetzt auch eine Air-up-Flasche habe. Beiläufig, so beginnen bei uns meistens die Gespräche, an deren Ende ich eine Bestellung tätigen soll oder ein Wunsch auf einer Liste für Geburtstag, Weihnachten, Ostern, Kindertag eingetragen wird.
AirPods, Air up, DuftPods: Ich kotze
AirPods kenne ich, das sind die teuren Kopfhörer, die den Kids im Prenzlauer Berg gern von Rowdys aus dem Wedding abgezogen werden. Aber Air up? Ich lasse mir die Geschäftsidee erklären. Für 30, 40 oder sogar 50 Euro erwirbt man eine Plastikflasche, in die man herkömmliches Leitungswasser füllt.
Damit das gute alte Wasser nicht so langweilig schmeckt und man nicht doch wieder zum bösen alten Softdrink greift, wird dann ein Duftring („Alles ganz natürlich!“, versprechen die Hersteller) draufgepappt, der das Wasser nach Melone, Apfel, Vanille-Orange oder Ähnlichem schmecken lassen soll. Duft- oder Aromapod nennen das die Hersteller. Warte mal, Pods – hatten wir doch gerade schon. Egal.
Wasser trinken eine Revolution
Dass die Kunden nix als Luft und Wasser zu sich nehmen, wird dann auch noch als Revolution beworben und gefeiert. Ehrlich jetzt? „Retronasales Riechen ist das Zauberwort, das es uns ermöglicht, normalem Wasser einen zusätzlichen Geschmack zu geben. Deine Rezeptoren in der Nase interpretieren den Duft in der Luft (bzw. aus dem Aroma Pod) als Geschmack, auch wenn das Wasser selbst gar nicht mit Geschmack versetzt wurde“, erklärt mir die Website von Air up. Für jeden neuen Satz an Duftpods, die nach fünf Litern ausgetauscht werden müssen, werden übrigens noch mal mindestens zehn Euro fällig. Es gibt sogar ein Abo-Modell.
Ganz ehrlich, ich kapiere den Hype nicht. Teenager tauschen sich auf TikTok über ihre Lieblingsgeschmäcker aus, lerne ich, Influencer süffeln aus dem Plastepod, äh Pott, als gäbe es keine echten Probleme auf der Welt.
„Ich zahle also regelmäßig jede Menge Geld dafür, dass ich mich selbst veräpple?“, frage ich meinen Sohn. Der nickt und hat in dem Moment wohl schon eine leise Ahnung, dass es bei uns keine Air-up-Flasche, produziert in Asien, geben wird.
Gute alte Flasche aus dem Küchenschrank
In jedem Haushalt mit Kindern gibt es bereits mehr als eine Wasserflasche, da gehe ich jede Wette ein, warum also noch so ein Ding kaufen? Und warum um Himmels Willen nicht einfach Wasser trinken? Ich finde es bedenklich, nein, sogar zum Speien finde ich es, dass das Grundnahrungsmittel Wasser zum Lifestyleprodukt wird, während anderswo auf der Welt Verteilungskämpfe darum geführt werden.

Bei meiner Recherche in Sachen Duftwässerchen stoße ich auf die Nachricht, dass es demnächst den Internationalen World Refill Day gibt. Organisationen und Unternehmen machen an dem Tag darauf aufmerksam, dass man die Umwelt schont, wenn man kein Wasser in Plastikflaschen kauft. Bei uns in Deutschland ist Wasser das am strengsten überwachte Lebensmittel und überall verfügbar.
Mittlerweile sind sogar alle öffentlichen Trinkbrunnen auf Google Maps zu finden, wenn man „Water Tap“ googelt. Es kann so einfach sein: Hahn auf, Wasser in vorhandene Flasche und fertig. Wenn man Wasser nur runterkriegt, wenn es nach etwas schmeckt, empfehle ich, Zitrone, Minze oder andere Kräuter hineinzugeben.
Um der ganzen Luftnummer samt unnötiger Müllproduktion, Verschickungswahnsinn und Konsumentenverarsche die Schwere zu nehmen, juxen wir, wie es wohl wäre, wenn es bald Duftpods in den Sorten Zwiebel, Pups oder Gülle gäbe. Die Influencer will ich sehen, und die TikTok-Challenges erst.
Stefanie Hildebrandt schreibt regelmäßig im KURIER über Geschichten aus dem Kiez. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■