Silvester am Brandenburger Tor. Eine Institution in Berlin - seit dem Jahreswechsel 1989/90. Als fast alle in Freude taumelten und das offene Brandenburger Tor plötzlich zum Sinnbild erfüllter deutscher Träume wurde.
Fast in jedem Jahr gab es seitdem zu Silvester eine große Sause am Wahrzeichen der Hauptstadt. Immer gut besucht. Inzwischen ist es für Berliner eher so: In einem Jahr geht man hin zur großen Drängel-Party, im anderen hat man was Besseres vor. Zumal das Programm auf der großen Bühne meist nicht durch Erstklassigkeit überzeugt. Aber man konnte sich bis Stunden vor Mitternacht entscheiden, so lange über einen Besuch am Tor nachzudenken, bis die ersten Zugänge zur Party wegen Überfüllung geschlossen wurden.
Kostenpflichtiges Vergnügen am Brandenburger Tor
Doch in diesem Jahr wird das Vergnügen erstmals kostenpflichtig. Zu bezahlen online im Voraus. 10 Euro „Sicherheitsgebühr“ werden pro Ticket aufgerufen - für den einen ist das viel Geld, für andere nur ein Millimüh aus der Portokasse. 65.000 Tickets soll es geben. Man muss sicher gut organisiert sein, um eines zu ergattern.
Gemach, bitte, möchte ich als Berlinerin ausrufen, es ist unser Tor! Schließt uns nicht schon im November oder Anfang Dezember von der Party aus. Auch wenn auf der Silvester-in-Berlin-Fete inzwischen vor allem Touristen tanzen. Und die Berliner Luft in diesem Jahr sicher nicht so doll ist - wegen des Feinstaubs vom erstmals seit Corona wieder erstrahlenden Riesen-Feuerwerk. Möglich muss ein Besuch auch für erst wankelmütige, dann aber doch kurzentschlossene Berliner bleiben.
Als Berlinerin war ich dabei, als am 22. Dezember 1989 Bundeskanzler Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow den Grenzübergang am Brandenburger Tor öffneten. Mehr als 100.000 Menschen jubelten. Der Grenzübergang ist schnell von der Geschichte überholt worden, heute erinnert nichts mehr an ihn. Aber hätte mir damals jemand gesagt, dass es einst auf diesem Areal zwischen Tor und Siegessäule eine Silvesterparty mit kostenpflichtigen Tickets geben wird, ich hätte ihn für verrückt erklärt.

Mit dem Eintrittsgeld soll unter anderem das Sicherheitskonzept finanziert werden, heißt es von Stadt und Veranstalter. Klar, Sicherheit ist wichtig in diesen Zeiten, aber das muss doch anders zu organisieren sein. Für die Weihnachtsbeleuchtung auf dem Kurfürstendamm finden sich am Ende auch immer wieder Sponsoren.
Doch ein Neujahrstänzchen auf dem leeren großen Platz
Illusionen mache ich mir nicht, wahrscheinlich werde ich mit meiner Entrüstung über die Ticket-Pflicht wenig Gehör finden. Deshalb habe ich noch einen Tipp für alle, die kein Ticket kaufen, das neue Jahr aber nicht ohne einen Besuch auf dem Pariser Platz beginnen wollen. Zu einem Jahreswechsel weit vor Corona-Zeiten haben wir bei Bekannten in der Wilhelmstraße gefeiert. Erst am Morgen kurz nach 5 Uhr machten wir uns auf den Heimweg. Der führte uns am Brandenburger Tor vorbei. Feiernde Menschen waren dort nicht mehr zugange. Fast allein auf dem Platz an der Ostseite des Tores wagten wir ein Neujahrstänzchen - gesehen haben uns nur fleißig putzende Leute von der Berliner Stadtreinigung.
Claudia Pietsch schreibt jede Woche im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com