Hertha-Kolumne

Schön wär’s: Frauen-Power macht Männern von Hertha BSC Beine

Blau-weiße Mädels machen sehr viel richtig. Das Team aus der Regionalliga hat den Erfolg, an dem die Profis sich derzeit noch vorbeidribbeln.

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Elfie Wellhausen trifft im Hertha-Dress, wie sie will, machte diese Saison schon 20 Buden.
Elfie Wellhausen trifft im Hertha-Dress, wie sie will, machte diese Saison schon 20 Buden.Matthias Koch/Imago

Es gibt den berühmten Spruch „Hinter einem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“. Überträgt man diese Lebensweisheit auf Hertha BSC, einen Verein, der seit 1892 einen einst populären Frauennamen trägt, ergibt sich im Moment folgendes Bild: Die kickenden Männer, sprich die Profis von Hertha BSC, sind längst nicht so erfolgreich wie erhofft. Dennoch stehen hinter der Truppe von Cheftrainer Cristian Fiel seit einiger Zeit sehr starke Frauen, die auch auf dem Rasen den Männern ebenbürtig sind.

Schon immer unterstützen viele Frauen und Mädchen auf den Tribünen im Olympiastadion das Profiteam voller Leidenschaft. Doch selbst kicken? Erst im November 2022 beschlossen die Vereins-Mitglieder, eine eigene Frauen-Fußball-Abteilung zu gründen. Gott sei Dank gab es bereits die Kooperation im Nachwuchsbereich mit Hertha 03 Zehlendorf, was vieles vereinfachte. Vor der Spielzeit 2023/24 übernahm Hertha BSC zwei Frauenteams und sieben Juniorinnen-Mannschaften von der „kleinen Hertha“ und startete als Drittligist ins neue Abenteuer. Vorbei die Zeiten, als der ehemalige, oft großspurige Profi Mario Basler den kickenden Frauen in der Bild-Zeitung riet: „Lasst verdammt noch mal den Rasen in unseren Stadien heil!“

Herthas Frauentrainer Manuel Meister hat reichlich Gelegenheit, so schön zu jubeln.
Herthas Frauentrainer Manuel Meister hat reichlich Gelegenheit, so schön zu jubeln.Matthias Koch/Imago

Die Frauen von Hertha BSC mischen in der Regionalliga-Spitze mit

Derzeit spielt die 1. Frauenmannschaft von Hertha BSC erst die zweite Saison in der Regionalliga Nordost und kann nach der Hinrunde erstaunliche Erfolge aufweisen. Die verschworene Gemeinschaft von Trainer Manuel Meister steht auf Platz drei hinter den beiden Spitzenmannschaften RB Leipzig II und Viktoria 89. Mitte November passierte zudem ein Novum: Nach einem 3:0-Sieg im Spitzenspiel bei Viktoria 89 vor 2100 Zuschauern thronten die Mädels an der Tabellenspitze!

Die Männer brauchten dafür im Oberhaus viel länger. Seit 1963 grüßten sie insgesamt 16 Mal von der Spitze – am häufigsten unter dem Schweizer Cheftrainer Lucien Favre (5 x im Jahr 2009). Zuletzt gelang das am ersten Spieltag der Saison 2013/14 unter dem holländischen Coach Jos Luhukay nach einem 6:1-Sieg gegen Eintracht Frankfurt. Lang, lang ist es her!

Ich glaube, Cristian Fiel wird neidisch, wenn ihm von der erst 18-jährigen Mittelstürmerin Elfie Wellhausen vom Frauen-Team berichtet wird. Sie führt die Liste der Torjägerinnen der Liga mit 20 Treffern an und ist eine echte „Knipserin“.

Herthas Ex-Profi Sofian Chahed gilt als Frauenversteher

Als „Leiter Frauenfußball“ amtiert der ehemalige Hertha-Profi Sofian Chahed. Der gilt als Frauenversteher, weil er einst das erfahrene Team des traditionsreichen 1. FFC Potsdam trainierte. Auch in die Vereinsspitze ist Frauen-Power eingezogen. Im November wurde Anne Noske als erste Frau überhaupt als Vizepräsidentin gewählt. Die Kommunikationsexpertin freute sich über „attraktiven Fußball der Frauen“ und ist sich mit Chahed einig, dass man sich in Ruhe entwickeln, aber möglichst in naher Zukunft in die Zweite Bundesliga aufsteigen will.

Woher kommen die ballverliebten Hertha-Frauen eigentlich? Laut Chahed habe man einst etwa 70 Prozent der etablierten Spielerinnen von Hertha 03 Zehlendorf übernommen und weitere junge Frauen aus dem Umland gewonnen. Die meisten, so Chahed, haben sich sogar selbst gemeldet.

Vor über 100 Jahren hatte Hertha BSC schon eine Frauen-Mannschaft

Wer nun glaubt, Hertha habe seine weibliche Seite erst vor kurzem entdeckt, der irrt. Mit Hilfe von Hertha-Archivar Frank Schurmann war zu erfahren, dass schon im April 1921 (!) ein Auftritt einer Hertha-Frauen-Mannschaft als Vorspiel vor den Herren angesetzt war. Die Frauen hätten im Geheimen mit einem ungarischen Coach trainiert. Ob das Spiel tatsächlich stattfand, ist nicht verbürgt. Und: Im Juli 1978 gründete Hertha eine Frauen-Fußball-Abteilung. Erst 1988 wurde das Team abgemeldet, weil das Gros der Frauen den Verein verließ.

Sofian Chahed hat indessen eine interessante Erfahrung gemacht. Er sagt: „Den Fußballerinnen muss man mehr erklären, aber nicht, weil sie weniger wissen, sondern, weil sie mehr hinterfragen.“ Sollten auch die Profis so handhaben und ihrem Cheftrainer besser zuhören. Sonst heißt es am Saisonende bei Hertha: „Hinter erfolgreichen Frauen stehen schwache Männer!“