Silvester ist es in meiner Familie Tradition, um Mitternacht einige Glückskekse zu öffnen. In meinem lag der Spruch: „Sie werden viele positive Überraschungen erleben“.
Ich freute mich und fragte: Ob das auch Hertha BSC betrifft? Wenn ja, was ist noch alles drin für Hertha in der Rückrunde? Schafft das Team, im Moment in Lauerstellung auf Rang sieben der Zweiten Liga mit sechs Zählern Rückstand auf Platz drei und den Hamburger SV, doch noch den sofortigen Wiederaufstieg?
Und was passiert im DFB-Pokal? Schon dreimal hatten Hertha-Profis unterschiedlicher Generationen die Hand am Cup, scheiterten aber stets teils tragisch im letzten Moment im Finale – so 1977 die Mannschaft um die Klublegenden Erich Beer, Uwe Kliemann und Karl-Heinz Granitza gegen den 1. FC Köln. 1979 unterlagen Norbert Nigbur, Hanne Weiner, Holger Brück und Co gegen Fortuna Düsseldorf und 1993 die Hertha-Bubis um Christian Fiedler, Carsten Ramelow und die Zwillinge Andreas und Oliver Schmidt gegen Bayer Leverkusen.
Hertha BSC hat die größte Chance seit Jahren im Pokal
Die junge Mannschaft der Saison 2023/24 hat sich mit souveränen Pokalsiegen gegen den FC Carl Zeiss Jena und Erstligist Mainz 05 sowie in einem Elfmeterdrama gegen den Zweitliga-Rivalen Hamburger SV bis ins Viertelfinale gekämpft. Nun kommt Zweitligist 1. FC Kaiserslautern ins Olympiastadion. Die Chance, nach 2016 endlich wieder ins Halbfinale einzuziehen, ist riesengroß. Im April 2016 unterlag Hertha unter Trainer Pal Dardai dem Favoriten Borussia Dortmund im Olympiastadion deutlich mit 0:3. Hertha mit solch gestandenen Profis wie Rune Jarstein, Per Skjelbred, Salomon Kalou und Vedad Ibisevic spielte gehemmt und kam nie richtig in den notwendigen Kampfmodus.
Letzterer zeichnete bislang die Truppe um Kapitän Toni Leistner aus. Ich kann mir sogar den Einzug ins Endspiel vorstellen, denn das Gros der Erstligisten – auch Bayern München – wurde schon aus dem Wettbewerb geworfen. Die Konstellation scheint günstig wie selten zuvor: Im Viertelfinale muss Borussia Mönchengladbach zum Pokalschreck, dem Drittligisten 1. FC Saarbrücken, reisen. Im Ludwigspark trotteten schon die Stars von Bayern München und von Eintracht Frankfurt nach ihren Niederlagen mit gesenkten Köpfen vom Platz. Und: Da Bayer Leverkusen auf den VfB Stuttgart trifft, fliegt einer der beiden großen Favoriten aus dem Wettbewerb.
Und auch in der Liga ist noch viel drin. Der Spielplan hält in der Rückrunde neun Heimspiele bereit und nur acht Auswärtspartien. In der Geschichte der Zweiten Liga gab es bereits unglaubliche Aufholjagden, die Hertha als Ansporn dienen können. Ein Beispiel gefällig? 1997/98 hatte der 1. FC Nürnberg nach vier Spielen drei Punkte auf dem Konto, dümpelte sieben Spieltage auf dem letzten Platz. Am Saisonende standen 59 Zähler zu Buche, Platz drei samt Aufstieg!

Hertha ist seit neun Spielen ungeschlagen
Pal Dardais Team ist derzeit wettbewerbsübergreifend seit neun Spielen ungeschlagen, davon sieben Duelle in der Liga. Doch es gibt viel Luft nach oben – siehe Arminia Bielefeld. 1979/80 blieb das damals überragende Team in der Staffel Nord (mit 20 Mannschaften) sage und schreibe 28 Spiele in Serie ohne Niederlage.
Was wünsche ich mir noch, damit der Spruch im Glückskeks in Erfüllung geht? Herthas „Lebensversicherung“, Superstürmer Fabian Reese, darf sich nicht von Dutzenden Angeboten anderer Vereine verunsichern lassen. Er muss seine Mitspieler weiter mit seiner Leidenschaft pushen und wissen, dass die Fans ihn lieben. Der Sturmriese Haris Tabakovic sollte seine Ladehemmung beenden und besser mit Vorlagen gefüttert werden. Sportdirektor Benjamin Weber muss im Januar trotz Geldknappheit vielleicht noch ein, zwei gute Transfers tätigen – so, wie es ihm im Sommer gelang. Ein Pendant zu Reese auf der rechten Außenbahn wäre wichtig und ein kreativer Mittelfeldmann mit Power, Kondition und Torjägerqualitäten. Am besten Marcelinho 2.0. Den Glückskeks zu Silvester habe ich übrigens sofort gegessen. ■