Am 24. Mai 2022 löste Marvin Plattenhardt riesengroße Erleichterung bei mir aus. Am Fernseher verfolgte ich nervös das zweite Relegationsspiel um den Verbleib in der Ersten Bundesliga zwischen dem Hamburger SV und der Hertha. Zuerst zirkelte „Platte“ einen Eckball exakt auf den Kopf von Dedryck Boyata, der die frühe Führung besorgte. Später verwandelte Plattenhardt einen direkten Freistoß raffiniert zum 2:0-Siegtreffer. Hertha blieb erstklassig. Auch der Slowake Peter Pekarik stand als rechter Verteidiger in diesem dramatischen Duell seinen Mann – gewohnt sicher und wie immer fair. Den einen kann man ohne Übertreibung den „Mann mit dem Hammer“ nennen, dem anderen das Etikett „Mr. Zuverlässig“ verpassen.
Freistoßspezialist Plattenhardt, 31, und Pekarik, 36, standen auch fast auf den Tag genau ein Jahr später gemeinsam im Aufgebot von Trainer Pal Dardai. Die Mannschaft war abgestiegen und musste zum Abschluss der Saison 2022/23 nach Wolfsburg reisen. Als in der VW-Arena - Hertha siegte mit 2:1 - Pal Dardai nach 63 Minuten Pekarik auf den Rasen schickte und dafür Kapitän Plattenhardt herunternahm, ahnte niemand, dass dieser Wechsel beinahe symbolischen Charakter bekommen sollte, was den Karriereverlauf der beiden vereinstreuen Profis betrifft. „Platte“ war seit Juli 2014 bei Hertha unter Vertrag, „Peka“ bereits seit August 2012!
Ex-Hertha-Star Marvin Plattenhardt schuftet für neuen Klub
Nun, fast fünf Monate später, ist der siebenmalige deutsche Nationalspieler Plattenhardt vereinslos. Sein sehr gut dotierter Vertrag bei Hertha wurde nicht verlängert – er war durch den rigorosen Sparkurs schlicht zu teuer. In der Sommertransferperiode fand er überraschend keinen neuen Arbeitgeber. Seit Juli arbeitet er regelmäßig mit dem bekannten Fußball-Fitness-Trainer Daniel Raphaelian zusammen. Drei, viermal pro Woche ackert „Platte“ auf dem Sportplatz des Oberligisten RSV Eintracht 1949 Stahnsdorf, wartet sicher sehnsüchtig auf das Klingeln des Telefons und auf ein Angebot. Raphaelian jedenfalls sagt: „Marvin ist topfit!“

Ganz anders ist es Peter Pekarik ergangen. Im Juli verlängerte Hertha seinen Vertrag um ein Jahr. Pal Dardai bezeichnete den Verteidiger als „Musterprofi, Vorbild und wichtige Ansprechperson“ für die jungen Spieler. Nun ist Pekarik der mit Abstand dienstälteste Profi des Zweiligisten. Am Montagabend absolvierte er zudem in der EM-Qualifikation sein 123. Länderspiel für die Slowakei beim 1:0-Sieg in Luxemburg! Eine unglaubliche Leistung.
Marvin Plattenhardt wurde bei Hertha BSC Nationalspieler
Dabei stand Plattenhardts Laufbahn in Berlin viel mehr im Fokus als die von Pekarik, weil er bei Hertha zum deutschen Nationalspieler aufstieg und bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland dabei war. Zudem ernannte ihn Trainer Sandro Schwarz im Juli 2022 zum Mannschafts-Kapitän. Dieses Amt füllte er eher unauffällig aus, ein Lautsprecher war er nie. Letzteres trifft auch auf Pekarik zu, der in der Slowakei eine große Nummer ist, bei Hertha aber meist im Hintergrund agierte. Das entspricht seinem Naturell.

Unterschiedlicher wie die Karrieren der beiden Profis könnten diese in kurzer Zeit kaum verlaufen. Plattenhardt gehört nun zum Zirkel ehemaliger Hertha-Profis, die ohne einen Verein dastehen. Auch Jean-Paul Boetius, Lukas Klünter oder Nico Schulz gehören in diese Reihe.
Krönt Herthas Pekarik bei der EM 2024 seine Karriere?
Pekarik aber ist längst der Länderspiel-Krösus aller bisherigen Spieler, die bei Hertha unter Vertrag standen. Außer dem Slowaken gehören noch Josip Simunic (105 Länderspiele für Kroatien) und Lewan Kobiaschwili (100 Länderspiele für Georgien) in den erlauchten Kreis der „Hunderter“. Pekarik, immer freundlich und offen, habe ich als Reporter meist als „auffällig unauffällig“ und „oft fehlerlos“ beschrieben. Plattenhardt indessen möchte im Moment keine Statements abgeben und bittet um Verständnis.
Wie geht es nun weiter mit den beiden? Meine Prognose: Mit seinen Meriten wird der „Mann mit dem Hammer“ bald einen neuen Klub finden. „Mr. Zuverlässig“ aber werden wir höchstwahrscheinlich im Sommer nächsten Jahres mit der Slowakei bei der EM-Endrunde in Deutschland erleben. Das wäre der krönende Abschluss seiner Laufbahn. ■