Hertha-Kolumne

Ob das gut geht? Hertha BSC geht mit Tjark Ernst ins Risiko!

Jahrelang prägten die Blau-Weißen zwei nahezu gleichwertige Torhüter-Duos. Davon kann der aktuelle Trainer Stefan Leitl nur träumen.

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Tjark Ernst (22) ist die Nummer eins bei Hertha BSC. Doch interne Konkurrenz gibt es für den Torhüter so gut wie nicht.
Tjark Ernst (22) ist die Nummer eins bei Hertha BSC. Doch interne Konkurrenz gibt es für den Torhüter so gut wie nicht.BEAUTIFUL SPORTS/imago

Als fußballbegeisterter Junge, der sämtliche Artikel und Fotos über den großen Brasilianer Pele sammelte, schwärmte ich einst – es ist leider sehr lange her – auch von einem Bundesliga-Keeper, der den berühmten Spruch „Torhüter und Linksaußen haben eine Macke“ Spiel für Spiel mit Leben erfüllte. Petar Radenkovic, geboren in Belgrad und Torwart von 1860 München, startete stets riskante Ausflüge samt Dribblings in den gegnerischen Strafraum, die gleichermaßen für Jubel und Entsetzen bei den „Löwen-Fans“ sorgten.

„Radi“ war ein Entertainer und man kann sagen, er hat den „mitspielenden Torwart“ schon vor über 60 Jahren erfunden. Meister und Pokalsieger wurde er in München. Seine Schallplatte „Bin i Radi, bin i König“ verkaufte sich extrem gut. International gab es später einige „bunte Hunde“, die den Ruf, Keeper haben eine Klatsche, intensiv befeuerten, etwa Jose Luis Chilavert, der sich auch als Torjäger per Freistoß und Elfmeter für Paraguay hervortat oder der Kolumbianer Rene Higuita, genannt „El Loco“ (der Verrückte) – ein Risikofaktor für jeden Trainer.

Torwart-Duos wie Kiraly und Fiedler prägten Hertha BSC

Hat Hertha BSC mit seinen Keepern auch solche Kuriositäten zu bieten? Gabor Kiraly (198 Bundesligaspiele für Hertha) verkörperte oft Weltklasse und wurde auch der „verrückte Ungar“ genannt. Seine lange, graue Schlabberhose, die er in jedem Spiel trug, erkor er zum Markenzeichen. Und er übte im Training die Spieleröffnung per „Abwurf an die eigene Torlatte“, in dem er den Ball mit Wucht aus fünf Metern an die eigene Querlatte warf (99 von 100 Versuchen gingen laut Gabor gut), damit der Ball weit ins Feld prallte. Seine Trainer verboten ihm den verrückten Trick im Spiel. Den hatte er sich bei Peter Hegedüs, Torwart seines Heimatvereins Haladas Szombathely abgeschaut.

Marius Gersbeck ist zwar im Trainingslager in Kitzbühel dabei, zur Verfügung steht der Torhüter Hertha BSC aber nach einer Schulter-OP noch lange nicht.
Marius Gersbeck ist zwar im Trainingslager in Kitzbühel dabei, zur Verfügung steht der Torhüter Hertha BSC aber nach einer Schulter-OP noch lange nicht.City-Press

Ob Tjark Ernst (22) schon einmal von den Kapriolen des 107-maligen ungarischen Nationaltorhüters gehört hat, ist mir nicht bekannt. Herthas derzeitige Nummer eins gehört nicht in die Kategorie „Keeper mit Macken“, was Cheftrainer Stefan Leitl sicherlich ruhiger schlafen lässt. Ernst kehrte nun sogar als Vize-Europameister mit der deutschen U21 zum Hertha-Team zurück, das sich im Trainingslager in Kitzbühel auf die Saison vorbereitet. Tjark Ernst durfte beim Championat im Juni in der Vorrunde U21-Stammkeeper Noah Atubolu vom SC Freiburg beim Sieg gegen den späteren Finalgegner England (2:1) vertreten und gefiel mit einem starken Auftritt, was ihn durchaus interessant für andere Klubs gemacht haben dürfte. Leider unterlag das Team von Trainer Antonio Di Salvo den Engländern im Endspiel unglücklich mit 2:3.

Marius Gersbeck fehlt Hertha BSC noch lange

Ernst aber soll jetzt bei der „Mission Aufstieg“ ein starker Rückhalt sein. Zwar sind mit Marius Gersbeck (30), Dennis Smarsch (25), Robert Kwasigroch (21) und dem erst 18-jährigen Burak Özkanli vier weitere Torhüter mit im Trainingslager, aber im Moment kann wohl keiner Tjark Ernst das Wasser reichen.

Tjark Ernst gilt als großes Talent und könnte so wie einst Gabor Kiraly und Rune Jarstein eine Ära im Tor von Hertha BSC prägen.
Tjark Ernst gilt als großes Talent und könnte so wie einst Gabor Kiraly und Rune Jarstein eine Ära im Tor von Hertha BSC prägen.Fabian Fuchs/dpa

Gersbeck, die Nummer zwei in der Hierarchie, kann nach seiner Schulter-Operation im Mai nur fußballerische Elemente üben. Mit Tim Goller (20), der in der Vorwoche an der Schulter operiert wurde, fällt ein Konkurrent für Ernst lange aus. Die Nummer eins steht nun als Vize-Europameister unter Erfolgsdruck und in der Verantwortung. Er muss hart trainieren, eine Verletzung aber sollte ihm nicht passieren.

Tjark Ernst hat bei Hertha BSC keine Konkurrenz

Ein Nachteil besitzt die aktuelle Konstellation unter den Keepern: Ernst hat keinen besonders starken Mitbewerber, der ihn fordert. Zwei nahezu gleichwertige Torhüter-Duos, die sich gegenseitig antrieben, bildeten einst Gabor Kiraly und Christian Fiedler Ende der 1990er bis Mitte der 2000er Jahre und ab 2015 der Norweger Rune Jarstein und Thomas Kraft.

Bleibt die Frage: Hat Tjark Ernst doch ein paar kleine Macken? Er lüftete einst ein kleines Geheimnis: „Das erste Wort, das ich als Baby sagen konnte, war: `Ba`. Für Ball.“ Ein bisschen verrückt ist das schon.